Die Quelle
gebeugt über Francesca und schüttelte den Kopf, als könne er es nicht glauben. Mit der freien Hand zog er Francesca den Knebel aus dem Mund.
»Du schreist jetzt! So angstvoll du kannst. Verstanden?« Er wartete, bis Francesca nickte. »Los!«
Ihr Schrei war schrill und laut.
»Das reicht mir nicht!« Duvall schüttelte den Kopf. »Dramatischer!«
Wieder schrie sie.
»Scheiße. Das soll Angst sein? Verzweiflung? Qual?« Duvall kochte vor Wut. So schrie keine Frau in Todesangst! Er legte das Handy auf die Fensterbank, wandte sich wieder seiner Gefangenen zu.
»Dein Lover muss begreifen, wie ernst ich es meine.«
Er riss das Messer aus der Scheide und setzte die Klinge direkt hinter ihrem rechten Ohr an. Dann zog er die Klinge mit einer raschen Bewegung nach unten bis zum Halsansatz. Dabei übte er genügend Druck aus, damit der Schnitt nicht nur die Haut ritzte, sondern ins Fleisch drang.
Ihr Schrei war schrill und lang gezogen und von einer ganz anderen Intensität als zuvor.
Blut sickerte aus der Wunde und rann ihr am Hals hinunter. Duvall überlegte, ob er einen zweiten Schnitt ansetzen sollte, verzichtete dann aber darauf. Sie schrie jetzt so entsetzt, wie er sich das vorgestellt hatte. Vielleicht ertrug sie das nach unten sickernde Blutrinnsal auf ihrem Hals nicht.
Es ging ihm nicht darum, die Frau um des Quälens willen so zu behandeln. Diese Typen gab es auch, aber als so einen sah er sich nicht. Doch er hatte keine Hemmungen, das zu tun, was getan werden musste. Und hier musste er durchgreifen. Wenn ihr Mann nur auf die harte Tour begriff, wie ernst es ihm war, dann eben so.
Er griff wieder nach dem Handy.
»Hörst du deine Frau schreien? Hörst du es?«
****
Francescas Schreie durchschnitten Benns Nerven wie ein Skalpell Zwirn. Er zitterte am ganzen Körper, sprang auf und stapfte mit dem Telefon in der Hand durch den Raum, bog den Oberkörper weit nach vorn und dann nach hinten.
In seinem Kopf jagten die furchterregendsten Bilder wie Boliden über den Asphalt. Alle wollten einander überholen, um als Erster mit ihren grausigen Fratzen vor seinem geistigen Auge Gestalt annehmen zu können.
»Aufhören!«
Immer noch zuckten Francescas Schreie in seinem Ohr wie Blitze am Himmel. Er stammelte hilflos, rief mit bebenden Lippen ihren Namen, schrie ihn zuletzt.
Sein Blick irrte unentwegt durch den Raum, glitt über die betretenen Gesichter der anderen.
Benn fuhr zusammen, als Francesca erneut schrie.
Der Schrei war anders. Hoch, schrill - und er zog sich unendlich in die Länge. Wie ein Schwerthieb kappte der Schrei alle Vorsätze, die er sich zurechtgelegt hatte.
Zeit gewinnen, hatte Berger verlangt.
Schwachsinn.
»Hörst du deine Frau? Hörst du sie?«
»Ja«, krächzte Benn.
»Und?«
»Hören Sie bitte ... bitte ... auf damit! Bitte!«
Der Entführer würde alles von ihm bekommen, was er verlangte.
»Das liegt an Ihnen.« Die Stimme tönte satt und zufrieden. »Wenn Sie mich weiter hinhalten, wird Ihre Frau darunter leiden!«
»Lebt Kemper noch?«
Die Stille zog sich wie die Unendlichkeit.
Die Annahme der Kommissarin stimmte. Er kann Kemper nicht fragen, dachte Benn.
Mit einem Schlag wuchs die Angst um seine Frau ins Unermessliche. Er hatte die wunde Stelle des Entführers aufgedeckt. Aber leiden würde darunter Francesca.
»Natürlich, aber ich werde Ihnen keinen Hinweis geben.«
»Warum?«, fragte Benn spontan zurück und wunderte sich über die Gelassenheit in der Stimme des Entführers.
»Weil ich Ihre Antwort mit der von Kemper vergleichen werde. So weiß ich sofort, ob Sie oder Kemper mich belügen. Sie haben das ja eben schon einmal versucht. Deshalb werde ich Ihnen natürlich auch nicht verraten, was Kemper dazu sagt.«
Benn schwieg. Irrten sie sich so? Dennoch durfte er keinesfalls widersprechen, musste den Weg mitgehen, den der Entführer ihm wies.
»Und denken Sie daran. Wenn Sie mir jetzt nicht eine vernünftige Antwort geben, fange ich erst richtig an. Haben wir uns verstanden?«
»Ja.«
Es gab einfach keinen Ausweg, erkannte Benn. Er musste etwas sagen. Er konnte dem Kerl irgendeine Lüge auftischen, um zu sehen, wie er darauf reagierte. Doch wenn Kemper tatsächlich noch lebte, der Entführer nur trickste und feststellte, dass er log, dann würde Francesca darunter leiden. Das wollte er auf gar keinen Fall.
Aber war das, was er preisgeben konnte, überhaupt richtig? Gut möglich, dass er damit falsch lag und seine Frau auch damit in Gefahr
Weitere Kostenlose Bücher