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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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verschleppt und ist bereit, mich gegen das lächerlich kleine Lösegeld - ich sehe das im Verhältnis zu dem, was meine Erfindung einbringen wird - von einer Million Euro auszutauschen. Den Vorschlag habe übrigens ich ihm gemacht.
    Der Mann scheint kein Interesse an irgendwelchen Spielchen zu haben, sondern will nur das Geld und dann weg. Einfacher geht es doch nicht, oder?
    Natürlich traut er mir nicht - Ihnen und den Behörden aber erst recht nicht. Deshalb wird es auch nur diese eine Chance geben. Und nur diese eine Kontaktaufnahme. Und deshalb werden Sie das Geld überbringen und mich in Empfang nehmen. Damit ja nichts schiefgeht.
    Folgendes zum Austausch: Morgen früh ab sieben Uhr steht ein Streifenwagen der Polizei ...«
    ****
    Hagen saß vornübergebeugt im Bürostuhl und las den Text zum x-ten Mal. Auch die Schrift auf dem Zettel war, wie auf dem Umschlag, winzig und gestochen scharf.
    Kemper schrieb so penibel sauber, als dokumentiere er Ergebnisse seines Experiments, dachte Hagen und gestand sich ein, dass er den jungen Wissenschaftler anfangs zu Unrecht nicht ernst genommen hatte.
    Er konnte sich noch sehr genau an die erste Vorführung erinnern. Heute schien ihm das eine Ewigkeit her, dabei waren erst wenige Wochen vergangen, seit Professor Münch Kemper und seine Idee in sein Leben geschubst hatte.
    Das Labor im Greifswalder Institut, in dem er erstmals mit Kemper und seinem Experiment konfrontiert worden war, war keine fünfzig Quadratmeter groß. An den Wänden reihten sich helle Schränke und einfache Labortische aneinander, auf denen die unterschiedlichsten Geräte für physikalische Messungen standen.
    Manche der Geräte waren mit Plastikplanen abgedeckt, andere wiederum standen offen herum und protzten mit einer unübersehbaren Anzahl von Reglern, Schiebern, Drehknöpfen und kleinen Bildschirmen. Der Raum erinnerte an das unaufgeräumte Reich eines technischen Tüftlers.
    Die Versuchsanordnung stand auf mehreren Tischen im hinteren Teil des Raumes. Auf einem der Tische stand eine Batterie als Stromquelle, und ein Gewirr von Leitungen mit Ventilen und Reglern führte zu einem Metallbehälter aus Edelstahl auf einem anderen Tisch. Der Hochvakuumbehälter war rund und äußerlich eigentlich nicht mehr als ein überdimensionierter Kochtopf, von dem wiederum Leitungen zu mehreren Messgeräten führten.
    Es wirkte so harmlos und einfach.
    Und es hörte nicht auf. Die Nadeln kratzten weiter über das Endlospapier, zeichneten mit einem leisen Schaben schwarze Tintenlinien.
    Jede Spitze auf den Ausdrucken belegte, dass da etwas geschah, was eigentlich nicht sein konnte. Kemper ließ die Messinstrumente nicht aus den Augen. Seine dunklen Augen leuchteten vor Stolz, und seine feingliedrigen Hände glitten vorsichtig über Schläuche und Ventile.
    »Unglaublich«, sagte Hagen und meinte es auch so. Die Zeiger der Messgeräte schlugen heftig aus; die digitalen Messungen zeigten Werte, die einfach nicht sein konnten.
    »Mich erinnert es an die Alchimisten im Mittelalter, die für ihre Herrscher aus einfachen Metallen Gold erschaffen sollten!« Professor Münch wischte sich nervös eine Strähne seines schlohweißen Haares aus der Stirn.
    Hagen verstand die Beweggründe seines Freundes nicht. Münch war einer der führenden Fusionsforscher Deutschlands, genoss höchstes internationales Ansehen und lief Gefahr, dieses aufs Spiel zu setzen. War er von den jahrelangen Verzögerungen bei dem ITER-Kernfusionsprojekt so genervt, dass er kurz vor Ende seiner Wissenschaftskarriere in Torschlusspanik verfiel?
    Befürchtete er, nicht genügend in den Annalen der Wissenschaftsgeschichte einzugehen? War das der Grund, dass er auf eine so abwegige Lösung setzte? Machte ihn der Gedanke nach Ruhm so besoffen?
    »Zur Wissenschaft gehört, neuen Ideen aufgeschlossen gegenüberzustehen«, begründete Münch seinen Sinneswandel.
    »Du wirst philosophisch ... eine schlechte Argumentation.« Hagen meinte, seinen Freund warnen zu müssen. »Nachprüfbare Beweise sind wissenschaftlich das Einzige, was zählt. Und bei diesem Thema ohnehin.«
    »Das ist es ja. Die sind da!«, knurrte der Professor übellaunig, als gebe er das nur widerwillig zu. »Ich erlebe es jetzt zum zweiten Mal. Überschussenergie mit dem Faktor zwanzig. Helium 4 als Asche. Und keine Gammastrahlung.«
    »Du weißt, wie es im Detail abläuft?«
    »Er schweigt.« Professor Münch deutete zu Kemper.
    »Kemper, Sagen Sie endlich, wie es im Detail funktioniert.«

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