Die Quelle
Hagen blickte Kemper fordernd an. »Welches Metall benutzen Sie? Palladium? Und wo ist die theoretische Grundlage, die es erklärt? Wir dürfen nicht auf einen Schwindel hereinfallen.«
»Das ist kein Schwindel.«
»Kein ernst zu nehmender Wissenschaftler hat sich mit dem Thema beschäftigt. Und wer sich damit befasst, ruiniert seinen wissenschaftlichen Ruf. Das ist seit fünfundzwanzig Jahren so.«
»Das stimmt nicht. Die Labors der Welt sind voll mit Wissenschaftlern, die daran forschen. In China, in Japan, in Indien, in den USA, in Italien. In den renommiertesten Universitäten. Nur in Deutschland nicht. Wer gegen die Versuche Sturm läuft, sind die Fusionsforscher, die in den Großprojekten seit fünfzig Jahren scheitern und um ihre Forschungsgelder fürchten.«
»Wieso hast du dich überhaupt darauf eingelassen?«, wandte sich Hagen an seinen Freund. »Ich hätte nie erwartet, dass ausgerechnet du bei solchen Experimenten ... Wenn das bekannt wird ...«
»Ich schulde jemandem einen Gefallen. Ich könnte immer sagen, ich wollte diesen Freund vor einem Scharlatan schützen.«
»Und stattdessen glaubst du jetzt daran?«
»Ich glaube gar nichts. Ich sehe - und bin fasziniert.«
»Was soll das?«, schimpfte Kemper dazwischen. »Wissenschaft soll immer neue Fragen stellen, neue Antworten suchen. Craig Venter züchtet Algen, die Öl produzieren? Dem glaubt man alles. Sie können mich mal!«
Professor Münch hob beschwichtigend die Hände, sah Kemper eindringlich an. »Ich kann nichts finden, was an der Versuchsanordnung nicht stimmt. Ich habe es immer wieder überprüft. Die Ergebnisse sind eindeutig - und trotzdem werden Sie meine Unterstützung nur bekommen, wenn wir hier im Institut weitere Tests durchführen. Die Bedingungen lege ich fest.«
Hagen nickte zufrieden. Wenigstens dachte sein Freund Münch nicht daran, den Weg der Vorsicht zu verlassen. Kemper musste klar werden, dass sie keine Spielchen akzeptierten.
»Und noch etwas«, sagte Hagen in Richtung von Kemper. »Solange Sie Ihr Geheimnis und Ihre Unterlagen nicht bis ins letzte Detail preisgeben, bleibt es bei der bis jetzt gültigen wissenschaftlichen Erkenntnis: Niemand kann Gold aus Blei erschaffen. Auch Sie nicht.«
Hagen schreckte aus seinen Erinnerungen, als die Bürotür mit Wucht aufgestoßen wurde. Er löste den Blick von dem karierten Zettel, der an der linken Seite Risse aufwies, als sei er aus einer Spiralheftung herausgerissen worden.
»Die Geldbereitstellung macht Probleme«, sagte der eintretende Berger und zündete sich eine Zigarette an.
»Hier bitte nicht rauchen, ja?«
»Das werden Sie nicht verhindern. Außer Sie nehmen sie mir aus dem Mund. Versuchen Sie es.«
Hagen sprang fluchend auf und wedelte mit der Hand durch die Rauchwolke. Er eilte in sein Vorzimmer und verlangte bei seiner Sekretärin einen Aschenbecher.
»Wenn Sie das sauber über die Bühne bringen, akzeptiere ich auch Ihre Pafferei.«
»Übrigens haben Sie es hier sehr komfortabel. Alles so edel. Sehr schön. Vielleicht haben Sie später auch so ein Büro für mich.«
»Ist das eine Bewerbung?« Hagen knallte den Aschenbecher vor Berger auf den Schreibtisch.
»Networking. So nennen Sie das doch, oder?« Berger streifte die Asche in den gläsernen Aschenbecher. »Wer weiß schon, wann man welche Freunde im Leben braucht. Im Moment gebe ich. Aber vielleicht brauche ich auch einmal Hilfe.«
»Wenn das klappt, haben Sie mehr gut als ein Büro. Wird sich das Bundeskriminalamt an das Drehbuch halten?«
»Das haben Sie Ihnen doch zugesagt. Warum zweifeln Sie?«
»Weil ich nicht weiß, ob Sie im Hintergrund nicht ganz andere Fäden spinnen.«
»Ich?« Berger lachte kalt. »Ich erfülle einen Auftrag. Und der lautet ganz klar, Ihnen so zur Hand zu gehen, dass kein Schmutz am großen Meister hängen bleibt.«
»Wird auch nicht.«
»Na klar.« Berger zündete sich grinsend eine neue Zigarette an. »Ich habe auch eine neue Information über den Crash. Wollen Sie sie hören?«
»Natürlich«, sagte Hagen, dessen Informationsstand vom letzten Abend herrührte, als er nach der Rückkehr aus Greifswald noch kurz im Krisenstab des Kanzleramts vorbeigeschaut hatte.
Die Meldungen dort hatten sich widersprochen. Die Optimisten waren von einem baldigen Ende der Katastrophe überzeugt, weil das, was sie im Moment erlebten, eigentlich gar nicht passieren konnte. Die Skeptiker hatten dagegen den Hinweis der großen Energieversorger ins Feld geführt, dass diese
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