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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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Raum mit einer Art Kücheneinrichtung, eine verschlossene Tür, noch eine verschlossene Tür, eine Toilette, ein unbesetztes Schwesternzimmer.
    Ungeduldig eilte er zur nächsten Tür. Wenn sie Timo Moritz verlegt hatten, hatte er keine Chance. Ihn in diesem Durcheinander zu finden würde vollkommen unmöglich sein. Er ärgerte sich, dass er nicht schon früher gehandelt hatte.
    Fast am Ende des Ganges fand er ihn.
    Der Ruheraum entpuppte sich als eine Art größere Besenkammer, kaum breiter als zwei Krankenliegen. Benn vermutete, dass der kleine Raum normalerweise als Lagerraum genutzt wurde, denn an der hinteren Wand standen neben dem schmalen Fenster Regale mit Verbandsmaterial. Aber in der Notsituation nutzte man jeden Raum.
    Die Liege stand mit der einen Längsseite unmittelbar an der rechten Zimmerwand. Der Kopf von Timo Moritz war fast vollständig verbunden. Sein Name stand in säuberlich gemalten Buchstaben auf einem Pappschild, das mit Klebeband am Fußende der Liege befestigt war.
    Von einem Gestänge führte der Schlauch eines Tropfs bis zu seinem linken Handrücken und endete dort in einer Kanüle.
    Benn näherte sich der Liege und flüsterte seinen Namen. Dann beugte er sich über den bandagierten Kopf und sprach ihn lauter an.
    »Ich muss Sie sprechen! Ich komme mit einer Nachricht von Rainer Kemper! Verstehen Sie mich? Rainer Kemper schickt mich! Er ist auf der Flucht vor denen, die Sie so zugerichtet haben. Sie sollen mir helfen, seine Unterlagen zu retten.«
    Benn kleidete seinen Verdacht einfach in eine Unterstellung, denn eine andere Erklärung gab es für Benn einfach nicht. Kempers Rettung war der Beginn eines Höllenritts gewesen, bei dem nichts so war, wie es schien, und bei dem jeden Moment ein neuer Dämon die Bühne betreten konnte.
    Irgendjemand war schneller gewesen. Irgendjemand, der sich nicht scheute, Informationen mit allen Mitteln in die Hand zu bekommen. Und der jetzt womöglich einen zeitlichen Vorsprung hatte.
    Benn berührte mit seinen Fingern den Verband im Gesicht, bis Timo Moritz die Augen öffnete und ihn anstarrte. Die geschwollenen Lider bedeckten noch immer halb die Augen.
    »Ich will Ihnen nichts tun. Ich habe Sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Sie werden versorgt. Aber ich muss wissen, wo Rainer die Unterlagen versteckt hat. Wissen Sie, wo die Unterlagen sind? Und ob die anderen es wissen. Diejenigen, die Sie so zugerichtet haben.«
    Natürlich wussten sie es, dachte Benn. Natürlich hatte er es ihnen gesagt. So, wie sie ihn zugerichtet hatten, hatte er Widerstand geleistet, bis es nicht mehr ging, bis sein Wille gebrochen worden war.
    Halblaute Schmerzenslaute drangen aus dem Mund. Benn sah Tränen, die plötzlich in die Augenwinkel des Geschundenen traten, dann in die Mullbinde sickerten, mit der seine Wangen bandagiert waren.
    »Sie waren tapfer. Jeder hätte bei solch einer Pein geredet.« Benn beugte seinen Kopf noch weiter zum Mund. »Sie kommen wieder auf die Beine. Aber jetzt müssen Sie mir helfen! Wo finde ich die Unterlagen? Ich will Rainer helfen ...«
    Benn überkam Verzweiflung. Konnte Timo Moritz überhaupt reden? Er hatte die ganze Zeit noch kein Wort gesagt. Gab es Verletzungen, die ihn am Reden hinderten? Oder war es der Schock?
    Plötzlich war Benns Kopf voller Bilder. Francesca lachte, rannte mit ausgebreiteten Armen über eine Sommerwiese, winkte, neckte ihn, bis er sie eingeholt hatte und sie sich in den Armen lagen.
    Benn überkam der unbändige Drang, den Mann vor sich zu packen und zu schütteln, bis er redete. Er kam erst zu sich, als Timo Moritz laut stöhnte. Erschrocken nahm Benn die Hände von den Schultern des Verletzten.
    »Wenn Sie mir nicht helfen, sterben Menschen! Auch Rainer.«
    Über die bebenden Lippen kam wieder nur ein stöhnender Schmerzenslaut. Dann schloss Timo Moritz die Augen.
    »Wo finde ich die Unterlagen? Sagen Sie es mir!«, rief Benn. Verzweifelt starrte er auf einen imaginären Punkt an der Wand, an der die Liege stand. Dann drosch er voller Hilflosigkeit mit der flachen Hand gegen die Wand. »Ich habe Sie hierhergebracht, Ihnen geholfen - jetzt helfen Sie mir!«
    Endlich öffnete Timo Moritz die Augen wieder und sah ihn gequält an. Er will dir etwas sagen, schoss es Benn durch den Kopf. Benns Blick glitt über den geschundenen Körper. Timo Moritz bewegte die Finger seiner rechten Hand.
    Will er schreiben? Weil er nicht reden kann? Bewegt er deshalb seine Finger? Benns Blick irrte weiter, erfasste die Kleidung,

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