Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
fünfzehn Sekunden später waren sie auf der Flucht. Das Licht seines Helms wies den Weg durch die Gänge und Tunnel. Auf den Füßen, auf Händen und Knien und an manchen Stellen sogar auf dem Bauch legten sie die etwa achthundert Meter unter der Erde zurück, orientierten sich dabei an der Sprühfarbe und fanden so zurück in die Zarengrotte.
»Was ist mit Paul?«, fragte Susan, und die Panik in ihren Augen nahm zu.
»Kein Grund zur Sorge.«
»Wie können Sie das sagen? Das waren Pistolenschüsse«, keuchte sie atemlos.
Michael ignorierte ihre Frage. Er hatte nicht die Absicht, für die Antwort Atem zu verschwenden. Paul und er hatten eine klare Vereinbarung. Für den Fall, dass alles schiefging oder einer von ihnen in Schwierigkeiten geriet, sollte der andere zusehen, dass er sich in Sicherheit brachte. Trotzdem lagen Michaels Nerven blank, und in seinem Hirn jagte eine Frage die nächste. Er wusste nicht, ob Busch geschossen hatte oder derjenige gewesen war, auf den geschossen worden war. Aber eines wusste er ganz sicher: Fetisow hatte weit mehr zu verbergen, als irgendeiner von ihnen ahnte. Wenn Busch nicht schon jetzt in größter Gefahr war, so würde es mit Sicherheit bald der Fall sein.
Was Susan nicht wusste und auch nicht wissen konnte, war, dass Michael seinen Freund niemals im Stich gelassen hätte. Sobald er Susan und die Schatulle in Sicherheit gebracht hatte, würde er sich auf den Weg machen. Gleichgültig, was erforderlich war, und egal, wie hoch der Preis war, selbst wenn es ihn das eigene Leben kosten sollte: Er würde seinen Freund retten.
Michaels Lungen brannten. Wozu sie auf dem Hinweg eine halbe Stunde gebraucht hatten, dauerte auf dem Rückweg noch keine zehn Minuten. Michael warf einen kurzen Blick auf Susan und war erstaunt über deren Zähigkeit. Sie war weder in Panik, noch beklagte sie sich, doch war die Furcht in ihren Augen nicht zu übersehen: Sie rannte um ihr Leben.
Bei jedem Schritt schlugen die beiden Tauchertaschen, die Michael sich um die Hüften geklemmt hatte, gegen seine Schenkel. Was ihn in aber noch weit mehr beschäftigte als die körperlichen Schmerzen und die Verzweiflung war die Warnung seines Freundes. Es war nur eine simple Anweisung gewesen, aber sie hätte deutlicher nicht sein können:
Mach die Schatulle nicht auf.
Sie näherten sich der Grotte. Sehen konnte Michael sie noch nicht, wohl aber hören: Die Bewegung des Wassers schallte in dem Gewölbe. Und dann tat sie sich vor ihnen auf. Das Licht der Lampen an Michaels und Susans Helmen tanzte auf der dunklen Wasseroberfläche und warf unheimliche Schattenbilder, die wie Geistwesen über die Wände huschten. Michael betete, dass er nur ja nicht ausrutschte auf dem felsigen Boden, und legte einen Schritt zu. Gleichzeitig griff er in eine seiner beiden Taschen und holte eine der kleinen Druckluftflaschen heraus. Er reichte Susan das Sauerstoffgerät und nahm sich selbst auch eines.
Sie näherten sich dem Rand des Wassers. Es waren nur noch etwa sechs Meter. Ohne zu zögern und ohne einen Moment stehen zu bleiben, steckten beide sich die Atemregler in den Mund und sprangen ins Wasser, verschwanden unter der Oberfläche.
So weit das Auge reichte, sah man nichts als Garage. Sie war gewaltig und befand sich direkt unter dem Arsenal – dem Stützpunkt des Präsidialregiments, der Kremlwachen – und stand voller schwarzer Mercedes-Limousinen, Lieferwagen und SUVs. Es gab auch Militärfahrzeuge, sogar ein paar Panzer.
Ein rotes Lichtblitzgerät illuminierte die abgedunkelte Garage und lenkte Buschs Blick in einen Gang, in dem die Trage soeben in einen Rettungswagen geschoben wurde.
»Lassen Sie uns abhauen«, flüsterte Fetisow.
Busch drehte sich um und sah, wie Fetisow sich hinter das Steuer eines dunkelgrünen Jeeps klemmte. Busch ging in die Hocke und bewegte sich auf das Fahrzeug zu. Als er die Beifahrertür öffnete, ließ Fetisow den Motor an, indem er den Schlüssel drehte, der in der Zündung steckte.
»Sind Sie verrückt? Wie sollen wir hier rauskommen?«
»He!« Die Stimme erschreckte sie beide. Sie kam aus Buschs Walkie-Talkie. Busch zog es von seinem Gürtel.
»Michael? Wo bist du?«
»Wir sind an der Kremlyovskaya. Wo seid ihr? Seid ihr okay?«
Fetisow riss Busch das Funkgerät aus der Hand. »Hören Sie mir zu. Gehen Sie zum Nikolaus-Turm auf der nordöstlichen Seite des Roten Platzes. Da wird jede Minute ein Rettungswagen aus dem Tor kommen. Lassen Sie den nicht aus den
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