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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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schwang den linken Fuß nach außen und erwischte einen zweieinhalb Zentimeter breiten Vorsprung, auf dem er Halt fand. Er brachte seinen Körper ins Gleichgewicht, schob einen Klemmkeil in die einen Zentimeter breite, senkrecht verlaufende Felsspalte, befestigte einen Karabinerhaken daran und machte sein Kernmantelseil an dem Karabiner fest. Dann kletterte er weiter.
    Michael vollführte den Sechzig-Meter-Aufstieg im Alleingang. Busch und Simon standen unten in der Dunkelheit auf den spitzen Felsen und blinzelten durch den Dunst der Meeresbrandung nach oben. Michael war der Fachmann, wenn es ums Klettern ging, und er würde niemals das Risiko eingehen, seine Freunde und Verbündeten aufgrund ihrer Unerfahrenheit zu verlieren. Deshalb würde er nach oben klettern und zwei Seile so sichern, dass sie ihm folgen konnten. Der Tod hatte hier nichts und niemanden zu holen, weder Susan noch Genevieve, weder Busch noch Simon.
    Michael setzte seinen Aufstieg fort. Die Felswand war fast senkrecht, und Vorsprünge gab es nur wenige und auch in großen Abständen, sodass Michael seine Arme und Beine mehr strapazieren musste, als er gedacht hatte. Zu keinem Zeitpunkt blickte er nach unten oder hinter sich; seine ganze Aufmerksamkeit galt immer nur dem nächsten Halt. So errichtete er mit Hilfe der Keile und Haken eine sichere Route, die den Unerfahrenen – Busch und Simon – den Trip in die Senkrechte erleichtern würden.
    Im Prinzip war es der einzige Weg auf Julians Gelände. Das Haupttor hatte Michael nicht nehmen können: Wäre er mit der Schatulle in der Hand die Auffahrt hinaufmarschiert, hätte das nur ein weiteres Menschenleben gekostet – sein eigenes. Wie es aussah, hatte Julian nicht die Absicht, Susan am Leben zu lassen – nicht einmal, wenn Michael die Schatulle ablieferte.
    So blieb ihnen nur die Alternative eines Blitzeinbruchs. Dabei hatten sie allerdings ein Problem: Sie wussten nicht, wo Susan sich befand. Kelley hatte den Grundriss der Villa genau aufgezeichnet und ihnen den Zeitplan gegeben, aus dem zu ersehen war, wann die Wachen ihre Runden um das Haus drehten, doch Michael war sich nicht sicher, ob Susan tatsächlich im Haus war. Er musste also erst bis zu dem Wachhäuschen vordringen, in dem sich nicht nur die Wachmänner befanden, sondern auch der Hauptcomputer und die Monitore, auf denen das gesamte Gelände überwacht wurde. Es war der Knotenpunkt, an dem der Voyeur aus der Vogelperspektive alles überblicken konnte. Dort würde er – hoffentlich – endgültig abklären können, wo man Susan und Genevieve gefangen hielt, und überdies einen Weg finden, Julians Alarmsystem irgendwie zu überlisten.
    Mit schaukelnden Bewegungen hievte Michael sich die letzten anderthalb Meter den Fels hinauf und spähte über die Kante, um sicherzugehen, dass die Wachen nicht ausgerechnet jetzt auf ihrer Runde hier vorbeikamen. Zwischen den Klippen und dem Haupthaus befand sich ungefähr sechs Meter Rasen; man konnte sich nirgendwo verstecken, nur unterhalb des Klippenrands.
    Michael schob zwei weitere Klemmkeile in den Felsspalt und verknotete die Enden der beiden jeweils sechzig Meter langen Seile. Er hatte Busch und Simon Gurte und Kletterhaken gegeben, die ihnen beim Aufstieg helfen sollten, sodass sie hinterher noch Energie übrig hatten für die eigentliche Aufgabe, die sie bewältigen mussten. Michael griff nach unten, ruckte dreimal kurz an dem blauen Seil und beobachtete, wie die beiden Seile sich unter dem Gewicht seiner Kumpel spannten.
    Lautlos schlüpfte Michael aus dem schwarzen Mechaniker-Overall, den er aus dem Flugzeughangar hatte mitgehen lassen, und brachte die dunkelblaue Uniform des Sicherheitsbeamten zum Vorschein, die Kelley getragen hatte, um aus dem Gelände zu entkommen. Die Uniform passte Michael fast so gut, wie sie seinem Vater gepasst hatte. Michael spähte über den Klippenrand, um einen Blick auf Busch und Simon zu erhaschen, doch sah er nichts. Die fünf Minuten, die er jetzt warten musste, würden qualvoll werden. Michael drehte sich um und schaute auf das gewaltige Haus, das sich vor ihm erhob; es füllte sein gesamtes Blickfeld. Der klassische Steinbau war schlichtweg atemberaubend. Es war ein Herrenhaus und eines Königs würdig, beherbergte aber jemanden, der es nicht verdiente.
    Michael überprüfte das Messer, das an seinem Oberschenkel klemmte, und klopfte sacht auf das Holster um seine Lenden. Er hasste Waffen, doch unter den gegebenen Umständen waren sie ein notwendiges

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