Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
davongleitenden Boot hinterherschauten, als wäre es im Begriff, sich in die Lüfte zu erheben. Michael schwante Schreckliches. Und dann explodierte das Fischerboot in einem gewaltigen Feuerball. Sein Rumpf zerbarst wie zerrissenes Papier. Michael erschrak beinahe zu Tode bei der Detonation. Entsetzt beobachtete er, wie die Überreste des Bootes im Meer versanken und wie Strandgut unter einer Decke sich auflösenden Rauchs dahintrieb. Er suchte mit Blicken die Wasseroberfläche ab, aber nirgendwo war eine Spur von Busch oder Simon.
Mit breitem Grinsen wandten die beiden Wachen sich Michael zu. Der Anführer nahm ihn beim Arm und dirigierte ihn ins Schiff.
Das oberste Deck des Schiffes war sowohl mit einem Fahrstuhl als auch über Treppen zu erreichen. Der Salon war der Hauptunterhaltungssaal und verschmolz mit dem Außengelände, dessen Kulisse der sternenbedeckte Himmel bildete. Der Saal war wie eine Berghütte eingerichtet – eine Dekoration, die in scharfem Kontrast zu der Seefahrer-Welt lag, die Michael umgab. Dicke, doppelbreite Sessel, mit dunklen Stoffen bezogen, eine Bar aus Weymouth-Kiefernholz und dazu passende Stühle standen vor der Wand am Ende des Saales. Leuchter aus Geweihen, Wandleuchten aus Messing und ein offener Kamin unterstrichen das nordische Ambiente. Es waren keine Kosten gescheut worden, um diese Einrichtung zusammenzustellen.
Julian saß in einem großen rustikalen Stuhl im Außenbereich des hinteren Salons. Liegestühle und Tische standen auf dem Deck verteilt. Das Schiffsseil war aufgerollt und lag in der Ecke.
Michael lief nach draußen in den großen offenen Salon und drückte sich den Rucksack dabei fest an den Körper; der allgegenwärtige Wachmann klebte ihm an den Fersen.
»Nun denn«, sagte Julian, »was für eine Schatulle haben Sie mir heute Abend mitgebracht?« Er strotzte vor Selbstvertrauen, wie er da auf dem Deck saß.
»Wo ist mein Vater?«
»Ach! Sie nennen ihn schon Dad, wie?«
»Wo ist er?«
»Ich will die Schatulle sehen.«
»Die bekommen Sie zu sehen, wenn ich meinen Vater sehe.«
»Michael.« Julian lächelte. »Ich glaube wirklich nicht, dass Sie in der Position sind, Befehle zu erteilen, oder? Ich möchte die Schatulle sehen.«
»Warum die Eile? Wohin sollte ich denn gehen? Sie haben hier eine Crew von zwanzig Wachen, die Sie beschützen.«
»Es sind fünfzehn, um genau zu sein. Dieses Schiff benötigt nur zwei Männer, um es zu navigieren, den Rest besorgt der Computer.«
»Fünfzehn Wachen, die Sie beschützen«, sagte Michael und schaute dabei auf seine beiden Begleiter.
Julian lächelte immer noch. »Ein cleveres Kerlchen sind Sie. Ich habe Sie ein wenig unterschätzt. Sie aber haben mich maßlos unterschätzt.«
»Was haben Sie mit dem hier vor?«, fragte Michael und deutete dabei auf seinen Rucksack. Dann lief er in den Saal, sah sich dort um und ging schließlich wieder nach draußen aufs Deck und auf Julian zu, der unter den Sternen saß, die von Horizont zu Horizont am Himmel prangten. Er blickte über die Reling auf das dunkle Meer, das sich fünf Etagen unter ihm befand. Er hoffte inständig, dass seine Freunde die Zerstörung ihres einzigen Fluchtwegs überlebt hatten.
»Lassen Sie mich die Schatulle sehen«, sagte Julian.
Michael öffnete den Rucksack und ließ Julian einen kurzen Blick auf den Inhalt werfen. »Ich will meinen Vater sehen. Ich will wissen, dass er am Leben ist.«
Julian lachte. »Sie stellen mir gegenüber keine Ansprüche.«
Michael umklammerte die Reling und drehte sich mit dem Rücken zu ihr, spürte die Kühle des Metalls auf seiner Haut. Er blickte Julian an. Im nächsten Moment ließ ohne jede Vorwarnung seinen Rucksack über die Reling baumeln.
»Das werden Sie nicht tun.« Julian lächelte.
»Ich werde es tun, wenn ich meinen Vater nicht zu sehen bekomme. Woher soll ich wissen, ob Sie ihn nicht schon getötet haben?«
»Sie werden die Rucksack nicht fallen lassen.«
»Das Meer ist hier viertausend Meter tief. Sie würden ihn niemals wiederfinden.«
Die beiden Männer starrten einander an, beide voller Trotz, beide von Hass erfüllt. Jeder von ihnen besaß, was der andere begehrte. Beide waren imstande, die Bemühungen des anderen zunichte zu machen; beide konnten zerstören, was der andere haben wollte. Es war ein Test ihrer Willenskraft, ein Wettstreit, wer von ihnen zuerst nachgeben würde.
Endlich wandte Julian sich an seinen Wachmann und nickte.
Der magere Wachmann stand am Rand der Steuerbordluke
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