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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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waren klar und voller Leben. Ein sanfter Glanz schien von ihr auszugehen. In der Hand hielt sie die goldene Schatulle. Michael konnte die orangene Sprühfarbe sehen, mit der er ihre goldene Umhüllung verschandelt hatte. Ohne ein Wort zu sagen, streckte Genevieve die Hand aus, hielt Michaal die Schatulle hin. Michael ergriff sie und drückte sie an sich.
    »Du weißt, was du tun musst«, sagte Genevieve. »Ich kann es nicht tun, aber du kannst es. Die tiefsten Tiefen, Michael, die tiefsten Tiefen des Meeres, wo sie nie jemand wiederfinden kann …«
    Michael stand da, voller Ehrfurcht, doch ohne Furcht. Er verstand genau und starrte jene Frau an, die er durch die Hand ihres eigenen Sohnes hatte sterben sehen, die er zehn Stockwerke unter den Mauern des Kremls zu retten versucht hatte, die seine Freundin gewesen war. Aber er hinterfragte den Augenblick nicht, schaute nur auf das Kreuz an ihrem Hals und dann auf die Schatulle in seinen Händen, denn für ihn bestand kein Zweifel mehr, was sie wirklich war.
    Und ohne ein weiteres Wort beobachtete er, wie sie sich auflöste im Licht des frühen Morgens. Michael fühlte sich, als wäre er nach langem Schlaf erwacht. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren, und starrte auf die Schatulle in seiner Hand.
    In der Ferne rief jemand, und dieser Ruf riss Michael aus dem Nebel zurück in die Gegenwart. Chaos brach aus. Das Dröhnen eines Motors, untermalt von Schreien, zerstörte die Ruhe des Morgens.
    Michael drehte sich um und sah, wie Busch und Simon auf Susan zupreschten, die hysterisch mit den Armen winkte. Michael rannte los, nahm eine Abkürzung durch das Waldstück, holte Busch und Simon ein, und gemeinsam erreichten sie Susan, die zitternd und bebend dastand und der die Tränen übers Gesicht rannen.
    Und das Dröhnen des Hubschraubers, dessen Rotoren dumpfe Schlaggeräusche verursachten, die sich mit dem Kreischen des Motors mischten, machte sie taub, sodass sie nicht hören konnte, was Susan hysterisch von sich gab.
    Sie drehten sich um und sahen, wie der weiße Hubschrauber über der Klippe verschwand und in den Morgen entschwebte. Michael brauchte nicht zu hören, was Susan sagte.
    Julian hatte Michaels Vater.

71.
    G ian Belinanas Fischerboot glitt übers Meer, das im Licht des Nachmittags glitzerte. Zum ersten und einzigen Mal hatte der korsische Fischer sein Boot verliehen. Er hatte nie die Absicht gehabt und war zuerst stur geblieben, als Michael bat, sich das Boot auszuleihen. Doch die 120 000 Euro, die Susan ihm geboten hatte, deckten nicht nur für ein Jahr Gian Belinanas Kosten, sie versorgten ihn darüber hinaus mit ausreichenden Mitteln, um sich ein weiteres Boot anzuschaffen, sodass er sich fortan Kapitän einer Flotte von zwei Booten nennen konnte.
    Es war eine zwanzig Meter lange Hatteras mit zwei Dieselmotoren; die Ausrüstung befand sich im Unterdeck, und die Netze und Angeln waren Steuerbord und Backbord festgemacht für die achtzig Kilometer lange Reise über das Meer. Michael stand auf der Brücke, das Ruder in der Hand; der Wind schlug ihm sein lockiges braunes Haar ins Gesicht. Seine Augen waren müde, sein Gesicht wirkte erschöpft; dennoch fühlte er Entschlossenheit, als er auf Kurs blieb und auf das Ziel zuhielt, das Julian Susan genannt hatte.
    Julian hatte sie überrumpelt, als er mit Raechens Pistolen auf sie zielte. Susan war untröstlich, dass sie versagt und Stephen nicht beschützt hatte, aber sie war vor Schreck erstarrt, und die Waffe, die Michael ihr gegeben hatte, hing nutzlos in ihrer Hand, bis Julian sie ihr entriss. Dann beobachtete sie hilflos, wie Stephen weggeführt, gefesselt und in den Hubschrauber gestoßen wurde. Er warf einen Zettel heraus, auf dem der Längen- und Breitengrad vermerkt waren, dazu die schlichten Worte:
    Bringen Sie die Schatulle. Kommen Sie allein, oder Dad wird sterben.
    Michael versuchte, seine Gefühle beiseitezuschieben, da er wusste, dass sie seine Urteilsfähigkeit trübten und ihn von der Aufgabe ablenkten, die vor ihm lag. Er war nicht so weit gekommen, um Stephen Kelley jetzt zu verlieren – einen Vater, den er gerade erst gefunden hatte.
    Er starrte auf die goldene Schatulle, auf den Albero della Vita, den Baum des Lebens, die vor ihm auf dem Armaturenbrett stand, und war sich ihrer Macht bewusst. Die Folgen dieser Macht hatte er mit eigenen Augen gesehen. Zu wissen, dass er auf dem Weg war, sie dem letzten Menschen auf Erden zu übergeben, der sie besitzen sollte – dem einzigen Menschen, der

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