Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
ihren wahren Inhalt und ihre wahren Fähigkeiten kannte –, ließ ihn erschaudern.
Busch kam aus der Kombüse die Treppe herauf. Sein blondes Haar wehte in der Brise, als er sich neben Michael stellte. »Und?«
»Noch zweiunddreißig Kilometer. Wir müssten kurz nach Einbruch der Dunkelheit ankommen.«
»Und du bist sicher, dass du genau weißt, was du tust?«
Michael blickte kurz zu Busch hinüber; dann schaute er wieder zum Horizont.
»Tut mir leid, dass ich gefragt habe«, murmelte Busch.
Simon saß am Bug und hatte ein mittleres Waffenlager vor sich ausgebreitet: Gewehre, Pistolen, die letzte seiner Brandbomben, drei Stücke Semtex. Er prüfte und lud die Waffen, bevor er sie in eine wasserdichte Tasche steckte.
»Woher wollen wir wissen, wo Julian ihn gefangen hält?«, fragte Busch.
»Das wissen wir nicht«, erwiderte Michael.
»Woher wollen wir wissen, ob er überhaupt auf dem Boot ist?«
»Das wissen wir auch nicht.«
»Was wissen wir denn?«
»Nicht viel.«
»Gut.« Busch nickte vor sich hin. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass uns klar ist, worauf wir uns hier einlassen.«
Die Sonne war längst untergegangen. Der Mond erklomm den Nachthimmel; sein gespenstisch weißer Glanz tanzte auf den Wogen und malte einen blassen Pfad, dem Michael folgen konnte. Julians Jacht kam in Sicht. Es war keine normale Jacht: Gottes Flüstern war beinahe schon ein Kreuzfahrtschiff mit einer Länge von mehr als hundert Metern. Der dunkelblaue Rumpf erhob sich fünf Stockwerke über das Meer, und die Brücke und die Bullaugen glühten in orangefarbenem Licht. Das Schiff war eine pompöse Zurschaustellung von Wohlstand mit seinen zahlreichen Foyers und Decks – und das alles für einen Mann, der weder Familie noch Freunde hatte, mit denen er diese kostspieligen Annehmlichkeiten hätte genießen können. Michael schätzte den Wert des Schiffes auf über zweihundert Millionen Dollar, und das schloss noch nicht die diversen Beiboote ein, ebenso wenig Julians Hubschrauber, der auf dem Vorderdeck stand und aussah wie ein riesiges Insekt.
Michael blieb fast das Herz stehen, denn er war nicht vorbereitet auf ein Schiff dieser Größenordnung. Es hatte genug Räume, dass Michael eine geschlagene Woche suchen konnte, bis er seinen Vater fand.
Plötzlich spürte er eine Hand, die sich auf seine Schulter legte. »Mach dir keine Sorgen.«
Michael drehte sich zu Simon um.
»Es spielt keine Rolle, wie groß das Schiff ist, der Plan wird trotzdem aufgehen.«
Als Michael sich dem Schiff näherte, gingen Busch und Simon nach unten.
Michael fuhr neben die Steuerbordseite der Jacht, wo sich eine drei mal sechs Meter große Luke öffnete und zwei bewaffnete Männer zum Vorschein kamen. Michael schaltete den Motor der Hatteras ab und kam lautlos zum Stehen. Er warf einem der Wachmänner ein Seil zu, der das Boot Steuerbord festmachte. Er griff nach der goldenen Schatulle, warf sie in den Rucksack, den er über der Schulter trug, und lief zur Backbordseite seines Bootes.
Die beiden Wachen sprangen an Bord, drängten Michael wortlos mit dem Rücken gegen die Wand und suchten ihn ab. Sie wollten nach seinem Rucksack greifen, aber er zog ihn weg.
»Wir müssen sie sehen, oder wir lassen Sie nicht an Bord«, sagte der hagere Wachmann mit französischem Akzent.
Michael öffnete den Rucksack, in dem außer dem einen Teil nichts war. Endlich nickten die Wachen, und Michael machte sich auf den Weg, die Hatteras zu verlassen. Aber die Wachen begleiteten ihn nicht. Sie liefen über die Treppe in der Mitte nach unten in die Kombüse. Michael sagte nichts und versuchte, seine Nerven zu beruhigen. Er hörte, wie Türen geöffnet und wieder geschlossen wurden, und wie die beiden Männer einander zwischendurch immer wieder etwas zuriefen. Dann kamen sie wieder nach oben. Kein Wort wurde gesprochen, kein Blickkontakt hergestellt.
Michael betrat das Schiff. Der magere Wachmann lief dicht neben ihm, während sein Kollege zurückblieb, zum Ruderhaus ging und den Motor der Hatteras anließ, der noch warm war und sofort ansprang. Er drehte das Steuerrad fünfundvierzig Grad, öffnete die Drossel ein wenig mehr. Als das Fischerboot aufs offene Meer tuckerte, sprang er mit drei schnellen Schritten zurück auf Gottes Flüstern . Michael sah hilflos zu, wie das Boot sich entfernte, war aber erleichtert, dass man Simon und Busch nicht gefunden hatte.
Doch seine Erleichterung schwand, als er bemerkte, wie verzückt die beiden Wachmänner dem
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