Die Quelle
erste Schreie
lösten sich aus seiner Kehle. Unbeirrt fuhr der Priester fort, langsam und
präzise vollbrachte er sein grausames Werk, als genieße er es, die
Folter länger andauern zu lassen, als es das Ritual erforderte. Seine
Gehilfen mussten inzwischen ihre ganze Kraft aufbringen, um den Körper des
Mannes zu bändigen. Angst und Schmerzen gaben dem Opfer Kraft, um sich zu
wehren, dennoch blieben seine Versuche zu entkommen wirkungslos. Blut tropfte
zu Boden, besudelte den Altar, die Roben der Priester und sogar die Krieger,
die in den ersten Reihen standen. Es schien vorbei zu sein und fast hätte
Leathan aufgeatmet, doch er hatte sich geirrt. So rasch die Priester und
Novizen den Körper ihres Opfers umdrehten, verriet, wie geübt sie
darin waren. Allein Leathan schien sich von den Schreien des Mannes
berühren zu lassen und da nur er den Wunsch verspürte, dem Opfer zu
helfen, überlegte er bereits, wie er eingreifen konnte. Zornig rief er Macht
in sich, als er plötzlich spürte, wie Sihldan seinen Vorderarm
packte.
„Tu das nicht, Leathan! Wenn du einschreitest, bist du
tot und wir disqualifiziert.“
Nur noch ein Wimmern verriet das Leiden des Mannes auf
dem Altar, als die blutige Schnitzerei auf seinen Rücken fortgeführt
wurde, diesmal um das Symbol Kegasiks zu zeichnen. Leathan wandte sich von dem
grausamen geschehen ab und sah wütend zu Sihldan.
„Du hättest mich warnen können!“
„Und dann? Was hättest du unternommen, was uns alle
in Gefahr gebracht hätte? Vergiss nicht: Wir sind in Anthalions Stadt,
hier herrschen seine Gesetze. Vergiss den Sklaven, Leathan. Bald wird seine
Kehle durchtrennt und der Tod wird ihn erlösen. Was zählt, ist das
Schicksal deines Volkes und das meines Clans. Lass es geschehen, ich bitte
dich, mein Freund, ich bitte dich darum.“
Flehend war Sihldans Blick, während Leathans
Gedanken rasten… Schließlich gab er nach. Sihldan hatte Recht: es gab
nichts, was er tun konnte, um das geplante Blutbad zu verhindern.
„Ansehen muss ich mir das aber nicht!“
Leathan wandte sich aus Sihldans Griff und ging
fluchtartig in Richtung des Ausganges. Während er sich durch die Krieger
anderer Clans einen Weg hinaus aus dem Tempel bahnte, konnte Leathan in ihren
Gesichtern entdecken, wie sie gleichgültig zum Altar blickten, als gäbe
es dort nichts als etwas Alltägliches zu sehen. Einige von ihnen grinsten
sogar in einem Anflug von Sadismus und nur schwer widerstand Leathan der
Versuchung, ihnen seine Faust in den Magen zu rammen. Fast schon war er an der
Tür angelangt, als ein Gardist ihn respektlos an den Arm zurückhielt
und ihn verachtend ansah.
„Du musst auf die Segnung warten, Hexer!“ Der Gardist
hatte laut genug gesprochen, um von jedem gehört zu werden. Vorwurfsvolle
Blicke richteten sich auf Leathan, der seine Wut nicht länger zügeln
konnte. Ohne die Macht auch nur aufrufen zu müssen, war sie schlagartig in
ihm. Mit seiner freien Hand ergriff er die Hand des Gardisten, um sich zu
befreien, doch getragen von seiner Wut, gaben ihm die Klänge der Quelle so
viel Kraft, dass er fast ungewollt sämtliche Knochen in der Hand des
Gardisten brach, als er sie packte. Laut schrie der Gardist auf und wurde
bleich vor Schmerz, während er langsam zu Boden sank und versuchte seine
Hand zu halten, die wohl für immer verkrüppelt bleiben würde. Im
Tempel war es still geworden. Allein das Wimmern des Opfers und des Gardisten
waren noch zu hören. Einmal mehr stand Leathan ungewollt in dem
Mittelpunkt, doch diesmal störte es ihn keineswegs. Laut erhob sich seine
Stimme und jeder der Anwesenden erschauderte bei seinen Worten, die
selbstsicher und verächtlich die Stille durchbrachen.
„Ich brauche die Segnung eines primitiven,
blutrünstigen Gottes nicht, um zu siegen.“
Von der bedrückenden Stille begleitet, ging Leathan
hinaus, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.
*
Leathan stand erstarrt auf der Schwelle des Tempels, die
Tür hatte er hinter sich verschlossen. Friedlich wirkte der Park von
Kegalsiks Tempelanlage. Die Sonne versprach einen schönen Tag und
Vögel zwitscherten in den Bäumen. Alles wirkte plötzlich auf ihn
irreal, wie einem Traum entsprungen, der einem Albtraum gefolgt war. Er wusste,
hinter sich fand noch immer die Zeremonie statt, doch es kam ihm vor, als
geschehe dies in einer anderen Welt, die er soeben weggesperrt hatte, als er
die Tür zugezogen hatte. Das machte die Folter jedoch nicht ungeschehen
und er schämte sich
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