Die Quelle
dein
König ist des Todes. Nur wir beide zählen, Kind. Zusammen können
wir die Welt beherrschen, die wir als Gegner zerstören würden. Welchen
Weg auch immer du wählst, die der Allianz oder die des Krieges, eines ist
sicher: Wir beide werden so viel Macht entfalten, dass wir das Universum zum
Beben bringen werden!“
„Du bist verrückt, Gott.“, wagte Leathan zu sagen,
denn ohnehin hatte er kaum etwas zu verlieren. Anthalion lachte kurz und stand
noch immer lächelnd von seinem Thron auf. Seine Augen wirkten wirr, doch
womöglich war es von ihm so gewollt.
„Natürlich bin ich das, wenn du mich durch
Menschenaugen betrachtest!“
Er stieg langsam die Treppen herab, die von seinem Thron
führten und ging auf Leathan zu. Die Macht, die von ihm ausging, konnte
man in der Luft spüren und hören, dennoch schien er sich diesmal
besser unter Kontrolle zu haben und seine Stimme klang beherrscht.
„Wie lange lebst du schon als Mensch, Kind der Quelle?“
Leathan sah das Flackern in den Augen des Herrschers. Nein,
er spielte ihm nichts vor... Der Gott kämpfte gegen Wahn. Offensichtlich
hatte er es in all den Jahren nie geschafft, sein Leben als Mensch völlig
anzunehmen. Sein göttliches Wissen hatte ihn vermutlich daran gehindert.
„Was spielt das für eine Rolle, wie lange ich schon
lebe? Wir beide haben das Leben nicht auf dieselbe Weise erfahren, Gott. Ich
hatte zwei Leben als Mensch, ehe ich erfahren habe, wer ich bin. Wie viel Zeit
hattest du, um den Wert eines Menschenlebens schätzen zu lernen?“
Anthalions Tonfall klang fast tadelnd.
„Ich bin seit zweihundertdreißig Jahren in diesem
Körper. Ich habe Generationen von Menschen leben und sterben sehen. Ich
weiß, wie wertlos ein Menschenleben ist. Sie kommen, sie gehen, manche
kommen wieder. Was kümmert es uns? Wir sind immer da, in aller Ewigkeit.
Als Gott, als Kind der Quelle oder dem Schein nach als Mensch... wir werden
immer über sie stehen. Die Menschen sind unsere Marionetten und sie
brauchen uns, um die Fäden zu ziehen.“
Leathan schüttelte den Kopf und lächelte herausfordernd
Anthalion an, als ihre Blicke sich trafen.
„Wenn du nichts anderes als ein Puppenspieler bist, dann
verliert deine Existenz jede Begründung, in dem Augenblick, da du die
Puppen zerstörst. Lass sie uns gemeinsam retten und verschönern.“
Er hätte es als eine Beleidigung auffassen
können, doch Anthalion lächelte nun auch. Sanft wirkte er jedoch
nicht.
„Ich weiß, wir werden uns einigen. Komm mit.“
*
Es war eine wunderschöne Villa. Ethira und Krial
standen vor einem Raum, der größer als ihr Kerker war und dennoch
nur als Kleiderschrank diente. Hinter ihnen im Schlafgemach lagen zwei blutige
Leichen. Ihre Kehlen waren aufgeschlitzt, Blut sickerte in den luxuriösen
Parkettboden. Die beiden Baseff ließen sich davon jedoch nicht
stören. Töten war für sie reine Routine. Als hätten sie
alle Zeit der Welt, wählten sie mit Bedacht die passende Kleidung für
ihre Flucht. Das war für sie keine leichte Aufgabe, denn die Art, wie man
sich in Anthalia kleidete, war ihnen fremd. Entgegen ihrer Angewohnheiten
beschränkten sie ihre Suche auf Kleidung, die aus schillernden und bunten
Stoffen geschneidert worden waren. Für Räuber äußerst
ungeeignet, doch wie sie bislang beobachten konnten, würden Adelige aus
Anthalia niemals Tarnfarben tragen und schließlich wollten sie als zwei
von ihnen angesehen werden. Am Ende fanden sie, wonach sie gesucht hatten: Edle
Kleidung, die dennoch ihre Körper ausreichend bedeckte, um ihre
Tätowierungen zu verbergen, die sofort ihre Zugehörigkeit zu ihrem
Räuberstamm verraten hätten.
Fast spöttisch musterte sich Ethira, als sie sich im
Kristallspiegel betrachtete. Sie kam sich vor wie eine Fremde. Die lange
seidene Robe betonte ihre schlanke, drahtige Figur, doch das war es nicht, was
ihr vorrangig auffiel.
„Damit würde ich niemals durch ein Fenster klettern
können, ohne es zu zerreißen.“, beschwerte sie sich.
Nur kurz sah Krial kritisch zu seiner Frau und
schüttelte den Kopf, als er schließlich auch auf sich selbst
herabsah: Seine eigene Kleidung war nur wenig praktischer.
„Wenn wir so zu unserem Volk zurückkehren,
überleben wir es nicht. Sogar sie würden auf unsere Tarnung
hereinfallen.“
Einmal mehr durchwühlte Krial den Schrank, doch das
was ihm noch vor Augen schwebte fand er nicht.
„Wir sollten in den Schränken der Sklaven nach
neutralen Gewändern suchen, für außerhalb von
Weitere Kostenlose Bücher