Die Quelle
traute sich
ohne Leibgarde aus der Stadt heraus und während des Turniers verließ
sowieso niemand Anthalia, denn die Gelegenheit auf der Palastinsel zu verweilen,
ließ keiner ungenutzt. Wenn jemand kein Interesse an dem Turnier hatte,
was schon sehr unüblich war, so hatte er zumindest Interesse daran,
Anthalion einmal zu Gesicht zu bekommen.
Das erste Außentor passierten sie ohne ihre
Medaillons zeigen zu müssen. Nun befanden sie sich zwischen zwei Mauern,
auf denen Bogenschützen patrouillierten. Hätten ihre beiden Diener
diesen Augenblick für einen Verrat gewählt, hätten beide Baseff
keine Chance gehabt, zu entkommen. Ein leichtes Prickeln im Nacken, war das
einzige Anzeichen von Nervosität, das Ethira sich erlaubte. Obwohl sie
lässig und mit arrogantem Blick neben Krial in ihrer Kutsche saß,
war jede Faser ihres Körpers angespannt und sie war bereit ihre
Kunstfertigkeit mit den Dolchen zu beweisen. Ein Wächposten kam näher
und sprach sie an.
„Herrschaften, erlaubt mir die Frage, weshalb ihr
Anthalia während des Turniers verlassen wollt.“
Ethira und Krial musterten verachtend den Mann und
hofften ihr Hausdiener würde an ihrer Stelle antworten. Als dieser tatsächlich
seine Rolle als ihr Sprachrohr einmal mehr annahm, war das Räuberpaar mehr
als nur erleichtert.
‚Guter Mann!’ dachte Ethira und Krial bestätigte, er
würde sein Leben verschonen, obwohl er dies ursprünglich nicht
vorhatte.
„Sie gedenken den Rat des berühmten Hellsehers
Isgalen aufzusuchen, um mehr Glück bei den Wetten zu haben.“ Für den
geübten Blick eines Baseff war es ein leichtes, die Lüge des Dieners
zu durchschauen. Erste Schweißperlen schienen auf seiner Stirn
sprießen zu wollen und seine Augen vermieden direkten Kontakt zu der
Wache.
„Der Seher hat sich doch immer geweigert, Prognosen
über den Turnierverlauf zu äußern!“, warf der Wachposten ein
und klang dabei vorwurfsvoll. Der Diener richtete sich auf und diesmal log er,
wie Ethira es nur einem Baseff zugetraut hätte.
„Niemand verweigert meinen Herren seine Dienste!“. So
viel Arroganz und Überzeugungskraft legte er in diesem einfachen Satz,
dass der Wachposten beeindruckt drein blickte und seinen Kollegen am
Außentor eilig zunickte.
„Ihr dürft passieren!“, richtete er diesmal seine
Worte direkt an den Diener, als wage er es nicht, noch einmal die beiden
vermeintlich Adeligen durch seinen Blick zu beleidigen.
‚Welch wundersame Denkweise…’, bemerkte Ethira
telepathisch.
‚Ja, dumm. Aber hilfreich…’, bestätigte Krial,
während die Tore sich erhoben, um ihnen Freiheit zu gewähren.
*
Leathan genoss den Ausblick auf das Meer. Es war noch
unklar, ob er Anthalions Gast oder sein Gefangener war, doch der Herrscher
hatte ihm wunderschöne, luxuriöse Quartiere zugeteilt und ließ
es ihm an nichts fehlen, außer an Bewegungsfreiheit. Natürlich
hätte Leathan jederzeit die Wachen überlisten können, die vor
seiner Tür postiert waren, doch es gab keinen Grund, das zu tun.
Vermutlich wusste das auch Anthalion, denn er hatte ohne weitere
Sicherheitsmaßnahmen seinen Palast verlassen, um dem Turnier beizuwohnen.
Leathan hatte nun Zeit für sich. Er hatte am
Vorabend mit Anthalion gespeist, doch mitten im Mahl, noch ehe sie
überhaupt einen Weg gefunden hatten zu kommunizieren, ohne sich
gegenseitige Spitzen zuzuwerfen, war der Herrscher aufgestanden und hatte
seinen Gast alleine gelassen, als hätte er noch etwas Dringendes zu
erledigen gehabt. Als Leathan im Anschluss von den Palastdienern zu seinen Gemächern
geführt worden war, war er rasch in einen tiefen Schlaf gefallen. Der Tag
war sowohl geistig als auch physisch anstrengend gewesen und er hatte keine
Energie mehr gehabt, sich um irgendetwas anderes zu kümmern, als um sein
eigenes Wohlbefinden.
Nun, da er ausgeruht und alleine war, bereute es Leathan,
seiner Müdigkeit nachgegeben zu haben. Zu viel stand auf dem Spiel, um
sich Unaufmerksamkeiten zu erlauben. Er versuchte, sich Ethira und Krial
geistig zu nähern. Wenn alles wie geplant abgelaufen war, würden sie
bald zu weit weg sein, um noch telepathisch kontaktiert zu werden, doch noch
schaffte er es, sie aufzuspüren.
Er blickte für einige Augenblicke durch ihre Augen
und sprach erst zu ihnen, als er sah, wie sie entlang eines Flusses ritten:
Eine Umgebung, die nur geringe Aufmerksamkeit erforderte.
‚Es tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde, doch
Anthalion hat meine Aufmerksamkeit bis zur
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