Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
Vom Netzwerk:
weiblichere Züge als sie. Leathan
wunderte sich plötzlich darüber, dass ihm so etwas auffiel,
beobachtete dennoch weiter das stumme Zwischenspiel zwischen ihr und Ruvin.
Vermutlich erteilte sie Ruvin gerade eine telepatische Rüge, denn er sah
sie schuldbewusst an. Leathan verkniff sich ein Lächeln, es war für
ihn befremdend zu beobachten, wie ein Truppenanführer, wie Ruvin einer
war, von einer Untergebenen getadelt wurde. Das Volk der Wächter hatte
eine Hierarchiestruktur, die nicht wirklich eine zu sein schien. Ruvin behielt
seinen schuldbewussten Gesichtsausdruck bei, als er sich Leathan zuwandte.
    „Es tut mir Leid… Ich wollte das Thema nicht
aufwühlen. Auch wenn ich es versuche, kann ich mir wohl kaum vorstellen,
wie schwer diese ganze Situation für dich ist. Unsere Welt muss
dermaßen befremdend für dich sein… und dann noch in diesem
Körper, der nicht deiner ist… An die Gefahren des Krieges zu denken, ist
sicherlich das Letzte, was du jetzt brauchen kannst.“
    Leathan fühlte sich ertappt und doch, als er
bemerkte, wie freundlich und mitfühlend jeder der Krieger ihn ansah,
fühlte er sich der Gruppe plötzlich nah.
    „Ist es so offensichtlich, wie schwer es mir
fällt?“, gab er endlich seine Schwäche zu, ohne länger das
Gefühl zu haben, sich dafür schämen zu müssen.
    Diesmal war es nicht Ruvin, der ihm antwortete, sondern
die Frau.
    „Dass es dir schwer fällt, konnten wir bisher nur
ahnen. Wie gut du es bislang gemeistert hast, weiß in unserer Stadt
jeder, aber wir haben uns alle darüber gewundert. Du brauchst dich vor uns
nicht zu verstellen, das tun wir alle nicht. Das ist es auch, was unser Volk
ausmacht. Nur wenn wir uns offen zeigen, können wir uns gegenseitig
helfen.“
    Einer der Krieger beendete ihren Gedanken.
    „Der Weg zur Quelle ist gerade für dich, in diesem
Augenblick sicherlich das Richtige. Diese Reise kann dir helfen, vieles zu
lernen und zu verstehen. Ich bin mir sicher, dass wenn du das Ufer der Quelle
betrittst, du dafür bereit sein wirst, wenn du es uns erlaubst, dir in
deiner Suche zu helfen.“
    Das Volk der Wächter hatte zwar alles daran gesetzt,
sich von den Göttern zu distanzieren, doch Leathan konnte nicht umhin zu
denken, dass der Weg zur Quelle ihn an eine Pilgerreise erinnerte. Auch wenn
die Wächter an keinen Gott glaubten, schien doch die Quelle als Ersatz
für das Göttliche zu stehen. Am Ende, worin bestand der Unterschied?
Sogar die Freundlichkeit, mit der die Runde versuchte ihm zu begegnen,
ähnelte eher dem Verhalten einer religiösen Gruppe, denn dem
Verhalten eines Kriegertrupps. Leathan bemühte sich, seine Reisebegleiter
nicht zu enttäuschen, indem er jeden von ihnen freundlich und wie er
hoffte, dankbar ansah, doch diese plötzlich gewollte, fast erzwungene
Nähe, bereitete ihm Unbehagen. Er musste an Irene denken. Sie war die
einzige Person, die Lisa als Freundin bezeichnete. Irene hatte sie trotz ihrer
Neugierde nie dazu gedrängt, ihr mehr von sich zu erzählen, als sie
es von sich aus getan hatte. Diese Art der Freundschaft war es, die Leathan
jetzt am meisten fehlte. Er wollte sich keiner Gruppe anschließen, er
wollte sich nicht selbst finden oder irgendwelche Erkenntnisse gewinnen…
    „Lasst uns jetzt einfach etwas essen.“, bemerkte Ruvin
und Leathan war ihm dafür dankbar, nicht nur weil das Thema somit beendet
wurde, sondern auch weil der Geruch der Nahrung, die auf dem Feuer garte, ihm
mittlerweile sehr verlockend vorkam. Er ahnte bereits, der Inhalt des Tellers
würde ihn einmal mehr enttäuschen, doch er war dermaßen
hungrig, dass er sich sogar auf den hier anscheinend üblichen
Gemüsereis freute.
    „Ihr esst ja doch Fleisch!“, entfuhr es ihm, als er kurz
darauf den Inhalt des Tellers erblickte, den Ruvin ihm übergeben hatte.
Tatsächlich waren zum üblichen Gemüsereis noch einige kleine
Stückchen Fleisch hinzugefügt worden, die zwar seltsam ausgekocht
wirkten, dennoch Leathan in dieser Umgebung wie ein besonderer Luxus vorkamen.
Gierig nahm er einen ersten Bissen.
    Ruvin wirkte über Leathans Reaktion eher belustigt.
    „Ja, natürlich. Unsere Körper brauchen Fleisch,
wenn wir längere Strapazen auf uns nehmen. Hättest du in der Stadt im
Refektorium danach verlangt, hättest du welches bekommen. Im
täglichen Leben muss jeder für sich selbst entscheiden, wann er
Fleisch braucht. Ein Nahrungsmittel, das den Tod eines Tieres erfordert, ist zu
wertvoll für die alltägliche Ernährung.“
    „Dort, wo

Weitere Kostenlose Bücher