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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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Visionen dermaßen erschreckend
waren, dass er sie selbst versuchte zu verdrängen, sondern auch weil er
ahnte, wie intensiv die telepathische Verbindung zu Ruvin sein musste, um eine
Erinnerung vollständig zu teilen. Eine solche Nähe, hätte sich
falsch angefühlt.
    „Lieber nicht, Ruvin… es war wirklich schrecklich…. Ich
habe Blut gesehen und Schreie gehört… Es war in den Straßen von
Ker-Deijas… Lassen wir lieber das Thema…“
    „Schon gut…“, antwortete Ruvin, ohne vorwurfsvoll zu
klingen, doch er wirkte enttäuscht und Leathan konnte spüren, wie er
sich etwas von ihm distanzierte. Die Vertrautheit zwischen ihnen fehlte ihm
plötzlich. Leathan konnte hören, wie Ruvin etwas Macht aufrief, statt
das Gespräch wieder aufzunehmen.
    „Hilfst du mir? Du kannst dich der Augen der Nachttiere
bedienen, um mehr zu sehen…“, erklärte Ruvin, als habe er keineswegs den
Stimmungsumschwung bemerkt.
    Leathan befolgte seinen Wunsch… Nur ein wenig Konzentration
war nötig und er fühlte die vertrauten Klänge in sich hallen. Er
schloss seine Augen, auf der Suche nach fremder Wachsamkeit… Sich der Tiere
bedienen? Er konnte das nächtliche Leben spüren, doch noch
zögerte er, darin einzutauchen… Er suchte nach Menschen, nach magischen
Klängen, die nicht die seinen oder die von Ruvin waren… Nein, es waren
keine fremden Menschen anwesend, nur ihre schlafenden Freunde begleiteten die
nächtliche Ruhe mit ihren Träumen… Plötzlich sah Leathan, wie
der Morgen graute… Wie durch einen Schleier hindurch erkannte er sich selbst,
wie er Erde über das Lagerfeuer warf, um das Feuer zu löschen… Er
stieg auf sein Pferd, Ruvins Trupp wartete schon auf ihn, alle wirkten
gelassen… Leathan schreckte zusammen, er wollte nichts sehen, er wollte keine
Visionen mehr! Er zwang sich die Augen aufzureißen, kehrte zurück in
die Gegenwart, zurück in der Nacht, an Ruvins Seite…
    „Was hast du gesehen?“, fragte Ruvin noch wachsamer als
zuvor.
    „Nichts… Oder doch. Ich habe gesehen, dass nichts geschehen
wird. Ich habe gesehen, wie wir losreiten und wir alle gelassen sind…“
    Ruvin seufzte erleichtert und lächelte, wodurch er
auch verriet, wie sehr er sich gesorgt hatte.
    „Gut! Dann lass uns zum Feuer gehen... Tee?“
    Auf Leathans Antwort wartete er nicht. Er ging in
Richtung des Lagerfeuers und Leathan musste sich beeilen, um überhaupt mit
ihm Schritt halten zu können. So unbekümmert wirkte Ruvin, jetzt da
die Last der Verantwortung von ihm genommen worden war.
    „Du kannst doch nicht blind einer Vision vertrauen!“
Leathan fühlte sich plötzlich wie ein alter Spaßverderber. Lisa
hätte ihn dafür beschimpft…
    Ruvin drehte sich zu ihm um, seine Augen leuchteten und
er lächelte auf eine so zuversichtliche, ansteckende Weise, dass Leathan
nun auch kaum noch Furcht verspürte.
    „Oh doch, ich kann. Visionen lenken unser Volk, sie
zeigen uns, wann der Regen kommt, wann die Dürre. Visionen zeigen uns,
wann wir unser Verhalten ändern müssen, um Schlimmes zu vermeiden…
Visionen sind es, die uns gezeigt haben, wie wir dich rufen können und du
bist jetzt hier!“
    „Ja, ich bin hier! Aber ich habe Menschen aus deinem Volk
sterben sehen!“
    „In Ker-Deijas, ja. Aber ursprünglich zeigten die
Visionen, wie unser Volk zum See der Quelle verschleppt und dort hingerichtet
wurde! Ich finde, wir haben schon Fortschritte gemacht! Wir werden
kämpfen, einige werden sterben, aber wir werden nicht mehr abgeschlachtet.
Vielleicht wirst du nachdem du den König gefunden hast, noch mehr wissen.
Vielleicht werdet ihr zusammen herausfinden, wie wir unsere Lage noch weiterhin
verbessern können. Alles ist noch möglich! Deine nächsten
Visionen zeigen vielleicht nur noch Friedliches. Dann haben wir die Zukunft
ausgetrickst… Verstehst du?“
    Ruvin hatte in der Zwischenzeit einen kleinen Topf mit
kaltem Wasser über das Feuer gestellt und er legte einige Holzscheite
nach, ehe er sich zum Feuer setzte. Leathan setzte sich zu ihm und lehnte sich
nach vorn, von Ruvins hoffnungsvoller Begeisterung angesteckt.
    „Nun gut... Ich will dir glauben… Erzähl mir mehr
von eurem König. Vielleicht hilft es mir ja, ihn zu verstehen und ihn zu
finden.“
    „Eigentlich hatte ich gehofft, etwas von deiner Welt zu
erfahren, aber du hast ja Recht. Je mehr du weißt, umso besser...
Allerdings musst du erst etwas über unser Volk erfahren, ehe du verstehen
kannst, weshalb unser König so bedeutend für uns

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