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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie mochte ihn ohnehin nicht, war ihm nun schon zum zweiten Mal davongerannt. Vielleicht lohnte es sich nicht, für sie mehr aufzugeben, als sie überhaupt ahnen konnte, nur um sie zu retten.
    Vielleicht war es ohnehin schon zu spät.
    Kanura durchlief ein Beben, als er seiner Angst Herr zu werden versuchte. Horn oder kein Horn – er durfte sich selbst nicht untreu werden.
    » Una! « , murmelte er. Das hübsche, rothaarige Mädchen war auf einmal zum Inhalt seines Daseins geworden. Wenn er sie verriet, würde er sich selbst verraten. Sie mochte so ganz anders sein als die Menschen, die er kannte, oder auch wie die weiblichen Wesen, mit denen er Freundschaft und Liebe erfahren hatte, doch das tat nichts zur Sache. Sie war, wie sie war: schön, begabt, unberechenbar und entnervend. Anders, mit jedem Recht, anders zu sein.
    Seine Grübeleien wurden jäh unterbrochen, als er einen Schrei hörte. Er hallte von weit her durch die Gänge. Es war Una, die da schrie.
    Kanura rannte den Gang entlang, kam zu einem Treppenhaus mit weiten, flachen Stufen, fast mehr eine Rampe als eine Treppe. Kanura hastete hinunter, sah sich dabei immer wieder um, ob ihm nicht ein Feind auflauerte. Die Kentauren mochten überall sein, und wie viele Schrate es gab, wusste er nicht. Die Mardoryx hatte er noch nicht gesehen, doch auch sie würden hier noch irgendwo sein. Von wo war der Schrei gekommen? Er war längst verklungen. Und das Schweigen, das darauf folgte, war noch schlimmer. Fast wünschte er, Una würde noch einmal schreien, nur damit er wusste, dass sie noch lebte.
    Doch es blieb still.

Kapitel 51
    Wieder war das Wasser über Una zusammengeschlagen, wieder versank sie in der nassen Dunkelheit. Eine Hand, die aussah wie ihre eigene, hielt ihr Handgelenk in eisernem Griff umklammert. Una wehrte sich, doch im Wasser gab es nichts, woran sie sich festhalten konnte. Sie wurde nach unten gezogen. Es wurde dunkler.
    Nicht einatmen.
    Ihr letzter Übergang in die andere Welt war zutiefst erschreckend und beängstigend gewesen, weil sie nicht gewusst hatte, was geschah. Diesmal wusste sie es. Sie war einem Ungeheuer zum Opfer gefallen, das sie fressen würde. Una ruderte mit ihrem freien Arm durchs Wasser, in dem verzweifelten Versuch, der Abwärtsbewegung etwas entgegenzusetzen. Eine zweite Hand packte ihren Arm. Nun war sie vollständig gefangen. Es war vorbei. Ein heftiger Ruck ging durch sie, als würde sie entzweigerissen. Mühsam unterdrückte Una einen Schrei. Jetzt den Mund aufmachen, hieße ertrinken. Das Wasser würde sofort in ihre Lungen dringen. Warum quälte man sie so? Reichte es nicht, sie zu töten?
    Sie stieß mit den Füßen nach unten, traf irgendetwas, einen Körper, konnte nicht einmal mehr fühlen, um was oder wen es sich handelte. Es war auch einerlei. Sie hatte keine Kraft mehr.
    Plötzlich aber rutschten die Finger, die ihr Handgelenk umklammerten, ab, und der Zug am anderen Arm katapultierte sie in die entgegengesetzte Richtung. Es ging nach oben, statt nach unten. Una war nicht mehr in der Lage, Erleichterung zu empfinden, denn sie wusste nicht, was sie jetzt erwarten würde. Sie stieß sich den Kopf an etwas Hartem an. Dann schrappte ihre geschundene Schulter über Stein, und langsam nahm die Umgebung wieder Gestalt an.
    Una japste nach Luft. Sie fand sich auf dem nassen Boden neben dem Brunnen wieder. Gerettet. Sie war am Leben. Sie erwartete, Kanura vor sich zu sehen, den sie automatisch für ihre Rettung verantwortlich machte. Er war nicht da. Sie lag neben dem Kentauren, der erschöpft zusammengebrochen war und seitlich dalag. Er lehnte mit seiner Wange am Brunnenrand, atmete stoßweise, während dunkles Blut seinen graugesprenkelten Körper rot färbte.
    Mühsam kam Una auf die Knie und blickte auf den Brunnen, in Panik, das Unwesen könnte erneut aus den Fluten emporsteigen, um sie diesmal endgültig nach unten zu ziehen.
    Das war knapp gewesen. Noch einmal würde der unvermutete Retter nicht mehr eingreifen können. Erst jetzt begriff Una, wie schwer er verletzt war. Aus zwei tiefen Wunden in seinem Oberkörper floss unablässig Blut. Die Hörner des Uruschge hatten den Pferdemenschen durchbohrt. Sein Bandelier war völlig verschmiert.
    Immer noch auf allen vieren kroch Una näher. Helfen konnte sie ihm nicht. Sie wusste nicht wie. Graue Augen fixierten sie. Wenn er nur etwas sagen würde! Doch er rang nur nach Luft. Wo hatte er bloß die Kraft hergenommen, sie aus dem

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