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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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sich wieder ihm zu. Der Besitzstand des Horns war noch nicht endgültig geklärt, doch es bestand kein Zweifel, wem es nicht mehr gehörte: Kanura war das Keinhorn, der Gefangene ohne Rechte, der Mörder eines der ihren – zumindest dachten sie das. Schon zog man ihm das Bandelier von der Schulter. Wieder hagelte es Huftritte. Einer allein war schon schmerzhaft, doch wenn eine ganze Herde auf einen eintrat, konnte es nur tödlich enden. Sie würden ihn zertrampeln. Er versuchte, den Tritten auszuweichen, doch er hatte keine Chance. Blut lief ihm über den Oberkörper. Eine gebrochene Rippe bohrte sich in seine Organe. Heilen. Er musste sich heilen. Doch er hatte so gut wie keine Magie mehr, und ohne fremde Hilfe würde es ihm nicht gelingen. Er brauchte Una. Er brauchte sein Horn.
    Una! Er sandte einen panischen Gedanken an sie, wohl wissend, dass sie ihn als Mensch nicht verstehen und ihm ohnehin nicht beistehen konnte.
    Ihm gingen die Kräfte aus. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen und breiteten sich schnell aus. Starb er, oder verlor er nur das Bewusstsein? Wie war es, zu sterben?
    Er versuchte erneut, sich mit den Armen zu schützen, doch gegen Huftritte waren selbst seine starken Einhornknochen nicht gefeit. Wieder brach etwas. Er hörte sich selbst schreien wie aus weiter Ferne.
    » Aufhören! « , brüllte schließlich jemand. Die Stimme drang wie aus dem Nebel an sein Ohr. Zu spät, wollte er sagen, doch er war nicht mehr in der Lage dazu.
    » Ich will nicht, dass ihr ihn umbringt! Nicht, solange ich noch nicht alles über das Horn weiß! «
    War es der Graue, der da eingriff? Kanura war sich nicht mehr sicher. Sein Schädel dröhnte. Manche Tritte hatten den Kopf getroffen. War auch hier der Knochen geborsten?
    Er wusste es nicht, und die Welt verschwamm um ihn herum. Fast wäre er dankbar gewesen, wenn die Schwärze, die ihn umgab, gnädig genug gewesen wäre, ihn einzuhüllen und dem Vergessen anheim zu geben.
    Ich bin Kanura, dachte er und war sich selbst dieser Tatsache mit einem Mal nicht mehr sicher. War er noch Kanura, oder hatte der Tod ihn schon so weit in den Klauen, dass er es nicht mehr war? Wo war der Klangnebel? Sollte der nicht erscheinen und einem den Ausweg zeigen? Oder war der Klangnebel nie etwas anderes gewesen als eine hübsche Umschreibung für das endgültige Aus?
    » Lasst mich allein mit ihm! « , befahl nun eine Stimme. Sicher war es wieder der, der ihn zum Krüppel gemacht hatte und seine Peiniger befehligte. Die Geräusche wichen einer dröhnenden Stille. Die Welt versank unter einer schwarzen Decke.
    Jemand stieß ihn an, sachte zwar, doch es gab keine Stelle an seinem Körper, die nicht entsetzlich schmerzte. Er stöhnte auf. Quälendes Feuer schoss durch seine Nervenbahnen. Mühsam öffnete er die Augen. Der Graue stand direkt über ihm, blickte frustriert auf ihn hinunter, die Hornklinge noch immer in der Hand. Er war allein. Die anderen Kentauren waren verschwunden.
    Jetzt, dachte sich Kanura. Jetzt müsste er aufspringen und dem Kerl sein Horn entreißen. Mit dem Horn würde er vielleicht gerade noch so viel Magie aufbringen können, um durch den Sklavengang zu entkommen. Er musste sich nur irgendwie bewegen. Es musste möglich sein. In Extremsituation war man zu extremen Leistungen fähig. Er wusste das.
    Aufspringen. Kämpfen. Atmen. Nur atmen. Gleich. Los.
    Doch seine Knochen wollten nicht, und seine Sehnen weigerten sich. Seine Nerven waren damit beschäftigt, Schmerz in seine Seele zu pumpen. Das Aufspringen und der heldenhafte Kampf liefen nur einige Augenblicke lang in der Vorstellung Kanuras ab, eine Möglichkeit wie ein Teil einer Legende. Dann holte ihn die Realität mit grausamer Präzision wieder ein. Er lag immer noch zerschlagen auf dem Boden.
    » Hab dich nicht so. Du lebst noch « , sagte der Kentaur zu ihm.
    Kanuras Atem ging röchelnd. Es war schwer, Luft in die Lungen zu bekommen, sie schienen irgendwie kleiner geworden. Füllten sie sich langsam mit Blut? Dann würde sein Feind nicht sehr lange etwas an ihm haben.
    » Sag mir, wie man es anwendet. Dann bleibst du am Leben. «
    Der Kentaur flüsterte nur und sah sich um, als müsste er sicherstellen, dass ihn keiner belauschte.
    » Los! Sag es mir! Ich schwöre, ich lass dich am Leben, wenn du es mir sagst. «
    Sprechen war Kanura unmöglich. Er brauchte seine ganze Kraft, um ein- und auszuatmen. Der Geschmack seines eigenen Blutes auf der Zunge überwältigte ihn fast.
    Doch selbst wenn er hätte

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