Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
war nicht freundlich. Macha war eine Kriegsgöttin gewesen, die zu Pferd oder im Streitwagen in den Kampf zog. Eine Ausformung der drei Gesichter der Morrigan, jener Göttin des Kampfes, Unheils, Streits, der Zerstörung und der Verführung. Aber auch Geisterkönigin und Göttin der Fruchtbarkeit. Der Sagenzyklus, mit dem sich Irene vor Jahren genauer beschäftigt hatte, war da nicht sehr spezifisch gewesen. Ein religiöser Kanon war er nicht, beschrieb seine Helden mal als Götter und seine Götter mal als Helden. Eine moralische Instanz waren weder die einen noch die anderen, sie prügelten sich die meiste Zeit nur von einem Kampfplatz zum nächsten, prahlten und verwüsteten, was immer ihnen vor die Keule kam. Von ihnen gab niemand Gebote zum friedlichen Zusammenleben aus, nicht zehn und nicht einmal eins.
Aber es ergab ohnehin keinen Sinn. Warum sollte aus den Tiefen der Sagenwelt eine Göttin zu Besuch kommen? Die Idee war völlig verrückt.
Freilich waren auch zwei Einhörner zu Besuch gekommen. Wie viel wahrscheinlicher war das?
Sie merkte, dass die Frau sie eindringlich musterte.
» Du hast schon von mir gehört, Einhornliebchen? «
Irene nickte. » Es gibt Sagen und Legenden … «
» Ah « , spöttelte die Frau. » Sagen und Legenden. Vermutlich auch noch Lieder. Du warst zu lange mit den Horn-Stoßern zusammen. «
» Was willst du? « , fragte Perjanu unwirsch. » Wir sind nicht auf Krieg aus. Uns geht es um Frieden. «
Macha lachte wiehernd. » Frieden? Wo gibt es schon Frieden? Es gibt mich. «
Perjanu nickte bedächtig. » Die Frage ist, gibt es auf dieser Welt keinen Frieden, weil es dich gibt? Oder gibt es dich, weil es auf dieser Welt keinen Frieden gibt? Ich denke wohl eher Letzteres. « Er klang ein wenig herablassend.
» Ihr mit eurer Scheißphilosophie. Ich habe euch wahrlich nicht vermisst « , zischte die Göttin und wandte sich wieder Irene zu. » Komm zu mir! « , befahl sie.
Ganz automatisch setzten sich Irenes Füße in Bewegung. Dann hielt ein starker Arm sie zurück. Esteron.
» Du willst dich wirklich mit mir anlegen? « , fragte die Göttin wütend. Der Kämpfer vor ihr hatte auf einmal ein langes Messer in der Hand. Oder war es ein bronzeschimmerndes Schwert? Irene konnte es nicht genau feststellen; mal sah sie das eine, mal das andere.
Nun hatten auch die Einhörner ihre Elfenbeinklingen in der Hand.
» Irene steht unter unserem Schutz! Was wollt ihr hier? «
Eine Weile schwebte die Angriffslust wie giftiges Gas zwischen ihnen. War es schlimmer, gegen eine Göttin zu kämpfen als gegen ein Wasserpferd? Überhaupt hatte Macha die Frage, ob die Uruschge ihr untertan waren, bislang nicht beantwortet. Was, wenn es so war?
» Was wollt ihr? « , wiederholte Esteron.
Wieder stand die Luft, als wartete sie auf einen Donnerschlag. Doch der kam nicht. Macha gab ihrem Begleiter ein Zeichen, und der senkte seine Waffe.
» Was wir wollen? Wo ist die Gastfreundschaft in diesem Land geblieben? Sie war einmal heilig. Wir sind deine Gäste, Eirene Friedliebchen. «
Irene wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Dass ihr Name Frieden bedeutete, wusste sie. Dass sie Frieden liebte, war auch nicht falsch. Dennoch klang es wie eine Beleidigung.
» Also « , fuhr die Göttin fort, » solltest du uns etwas zu essen anbieten. Das gehört sich so. «
» Ich habe nicht viel da « , murmelte Irene betreten. Die Situation war absurd. Sie blickte hilfesuchend zu den Einhörnern. Perjanu nickte ihr zu.
» Gäste sind Freunde « , sagte er sanft. Sie begriff, dass er ihr damit etwas Wichtiges mitteilen wollte.
» Aber ich habe nichts … «
Machas Bodyguard trat vor und streckte ihr ein zerknülltes Blatt entgegen.
» In Doolin gibt es einen Pizza-Lieferservice. Bestell was! « , sagte er unfreundlich. » Du hast doch ein Handy? «
Sie starrte verwirrt auf den Zettel.
» Oh, sie haben Salat! « , freute sich Perjanu, der seine Waffe wieder eingesteckt hatte. » Wie schön. «
Pizza für eine Göttin? Vermutlich auch nicht seltsamer als Sex mit einem Einhorn.
Was mochte es bedeuten, wenn man den Krieg zum Essen einlud?
Kapitel 58
Man hatte Una die Augen verbunden und sie geknebelt. Mit was, wollte sie gar nicht wissen, denn wenn sie jetzt kotzen müsste, würde das nicht gut ausgehen. Doch was immer man ihr da in den Mund gesteckt hatte, es schmeckte grauenhaft, und sie würgte mühsam den halbverdauten Müsliriegel wieder runter.
Ihre Hände hatte man vorne gefesselt und in
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