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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Ellenbogenhöhe an ihrem Körper fixiert. Unter ihren Armen hatte man ein Seil um sie geschlungen, an dem man sie einfach hinterherzog. Es ging durch irgendwelche engen Gänge, Sklavengänge vermutlich. Sie konnte es fühlen, aber nicht sehen. Vielleicht täuschte sie sich ja auch. Die Luft war abgestanden und muffig. Und es ging bergab.
    Sie hatte nicht gesehen, wer oder was sie genau angegriffen hatte. Es war viel zu schnell gegangen. Sie hatte niemanden kommen hören, aber im nächsten Moment hatte sie auch schon dagelegen. Unsichtbare Hände hatten sie niedergedrückt, verschnürt und davongezerrt.
    Gelegentlich bekam sie mit den Fingern eine Wand zu fassen, doch gefesselt wie sie war, konnte sie sich nirgends festhalten, rieb nur über eine raue Fläche. Dass es die Uruschge waren, die sie erneut überwältigt hatten, glaubte sie nicht. Dieser Angriff war doch sehr anders. Auch meinte sie, mehr als ein Wesen wahrzunehmen. Jemand zog sie, und jemand war hinter ihr. Keiner sprach ein Wort, aber sie konnte ihre Entführer atmen hören.
    Sie fand es beunruhigend, dass sie sich untereinander nicht einmal absprachen. Dieses Schweigen war furchtbar. Wie lange sie schon so mitgezerrt wurde, wusste sie nicht. Ihr kam die Zeit endlos vor. Ein- oder zweimal versuchte sie sich zu wehren. Doch Hände griffen nach ihr und hielten sie fest, mehr als zwei. Tatsächlich schienen es immer mehr zu werden.
    Immerhin schlug sie niemand, man schleifte sie einfach immer weiter fort. Dabei musste sie doch zurück. Sie musste zu Kanura. Unbedingt. Es brannte in ihrer Seele wie eine Leuchtschrift. Sie musste ihm helfen.
    Falls ihm noch zu helfen war.
    Plötzlich wurde sie hochgehoben wie ein Sack Kartoffeln. Sie war sich nicht sicher, aber es schien, als ginge es steile Stufen hinunter. Sie hing verkehrt herum. Ihr Kopf war tiefer als ihre Beine. Wenn man sie jetzt losließ, würde sie mit dem Kopf voran irgendwo runterfallen.
    Una wehrte sich nicht mehr. Es hatte ohnehin keinen Sinn im Moment. Ihre Gedanken jagten in ihrem Kopf herum. Wer war das? Die Kentauren bestimmt nicht. Die stanken. Und sie waren laut und unverschämt. Was hier geschah, passierte leise und verstohlen.
    Wenn es Uruschge waren, dann brachten sie sie bestimmt zur nächsten Wasserstelle. Doch warum so viel Aufwand, nur um sie umzubringen?
    Sie zappelte nun doch, aber sie wurde nur umso fester gepackt. Manchmal stieß sie irgendwo an, oder ihr Gesäß schleifte über den Boden.
    Dann wurde sie fallen gelassen.
    Der Boden war hart, doch sie fiel nicht tief. Sie zerrten an ihr herum, hoben sie in eine sitzende Position. Nahmen ihr die Augenbinde ab.
    Wenn sie geglaubt hatte, nun Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, so wurde sie enttäuscht. Es war so dunkel, dass sie erst mal überhaupt nichts sah. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Düsternis.
    Sie sah sich um und versuchte zu begreifen. Sie befand sich in keinem der prächtigen Zimmer aus der Burg. Doch da waren Treppen, die nach oben führten. Sie waren schmal und ausgetreten, fast schon bröckelig. Dennoch sah es hier mehr aus wie in einer Höhle. Kein Tageslicht drang in diesen Raum, der zwar einige Ziegelmauern hatte, aber sich dann in weitaus organischere Gefilde zu erstrecken schien, als ginge hier der Keller in ein Höhlensystem über. Talgkerzen brannten in den Nischen. Una konnte einen ersten Blick auf ihre Entführer werfen.
    Menschen. Die dunklen Gestalten, die sie umringten, waren Menschen. In dem spärlichen Licht, das die Flammen der Talgleuchten verströmten, waren sie zunächst nur als Schemen zu erkennen. Una rief sich ins Gedächtnis, dass nicht alles, was in etwa so aussah wie ein Mensch, in dieser Welt auch ein Mensch sein musste. Es konnten Einhörner sein. Es konnten Ungeheuer sein. Oder sonst was.
    Sie standen still und sprachen kein Wort. Zottelige Haare hingen ihnen in die Stirn und über die Augen. Das kam auch daher, dass sie alle gebückt dastanden, die Köpfe gesenkt wie in Erwartung eines Schlags, die Schultern fast bis zu den Ohren hochgezogen.
    Wie eine Steinzeithorde kamen sie Una vor. Ihre Kleidung war kaum zu erkennen, doch sie waren mit irgendwelchen Fetzen behängt. Wenigstens waren sie nicht nackt. In dem spärlichen Licht konnte man keine Farben ausmachen, doch Una war sich sicher, dass die Lumpen, die an den Wesen herunterhingen, grau waren. Sie selbst sahen auch grau aus.
    Una versuchte, dem einen oder anderen ins Gesicht zu sehen, doch keiner rührte sich, keiner

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