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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Verfolger die Burg besser kennen als sie. Wenn es da Verstecke gab, waren diese den Schweigern sicher bekannt, denn Verstecken war ihr Lebensinhalt.
    Dann waren da auch noch die Kentauren. Die waren sicher noch oben in der Burg und suchten sie. Sie saß in der Falle. Eingekeilt zwischen zwei Feinden, die einen jagten sie von unten, die anderen warteten oben.
    Nur Kanura war auf ihrer Seite. Gewesen. Doch sie hatte ihn verloren. Sie wusste nicht einmal, wo sie ihn suchen sollte. Sie versuchte, sich an das Letzte zu erinnern, das sie von ihm gehört hatte. Er hatte gebrüllt. Dann war es still geworden.
    Sie würde ihn nie wiedersehen. Der Gedanke schmerzte unsäglich. Fast konnte sie seine großen braunen Augen vor sich sehen mit diesem seltsamen Blick zwischen Zuneigung und Ratlosigkeit. Sie hatten einander nicht verstanden. Dabei – und das wusste sie mit einem Mal, als ihr der Verlust klar wurde – hätten sie einander bei alle Unterschiedlichkeit verstehen können.
    Ihre Flucht war sinnlos. Diese ganze Welt war eine Falle.
    Egal, wohin sie rannte, irgendeiner würde sie umbringen.

Kapitel 69
    Es dämmerte bereits wieder, als die Wachen eine Warnung schrien. Enygme hatte wenig geschlafen, die Sorge hatte sie wachgehalten. Jede Sekunde hatte sie mit einem Angriff der Uruschge gerechnet, aber er war nicht gekommen. Irgendwann war sie dann doch eingeschlafen.
    Es schien, als hätte der Feind darauf gewartet, ausgerechnet dann anzugreifen, als sie zum ersten Mal tief schlief. Die Tyrrfholyn gaben wiehernde Schreckenslaute von sich. Wirre Gedanken und Emotionen streiften Enygme. Doch sie hatte keine Zeit, sich damit zu befassen.
    Sie schottete sich ab. Mitten in einem Kampf allzu viel an Gefühlen aufzufangen, war nicht gut. Weder die Angst noch die Wut anderer würde ihr bei ihrem eigenen Kampf helfen.
    Sie war bereits mittendrin. Keine Sekunde war vergangen zwischen ihrem Erwachen und dem Gefecht. Kaum war sie aufgesprungen, drang auch schon ein Uruschge auf sie ein, die Doppelhörner gesenkt. Er war größer als sie und sah in seiner glatten Glitschigkeit ekelhaft aus. Fast erwischten die Hörner sie in den Augen. Sie brach seitlich aus, trat dabei um sich, traf den Angreifer – oder war es der daneben? Nun kämpften schon zwei dieser Bestien gegen sie. Vier Hörner gegen eins.
    Enygme wusste, dass sie nicht nur wegen dieser Überzahl unterlegen war. Ihr fehlte die Freude am Töten. Diese Wesen kämpften und mordeten gerne. Sie hingegen kämpfte, um sich und die Ihren zu schützen.
    Sie sprang zur Seite und achtete darauf, mit den Vorderhufen nicht allzu hoch zu steigen. Der Schaden, den sie damit anrichten konnte, war entschieden geringer als die Gefahr, ein Paar gewundener Hörner in den Bauch gerammt zu bekommen.
    Ein grauenhafter Schrei nicht weit von ihr ließ sie fast erstarren. Das war ein Tyrrfholyn gewesen. Einer ihrer Kämpfer. Sie verschloss sich gegen den Schmerz, den der Verletzte in seiner Pein in die Welt gesandt hatte.
    Wieder warf sie sich herum. Es war noch nicht richtig hell, doch sie konnte das Kampfgewühl im grauen Licht des Morgens sehen. Es wirkte panisch und unkoordiniert. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, Ordnung in diesen Kampf zu bekommen. Am Abend hatten sie sich noch abgesprochen, wie sie vorgehen würden, wenn der Angriff erfolgte. Wie konnte es sein, dass sie jetzt agierten wie ein Haufen hoffnungsloser Dilettanten?
    Sie schrie auf, als eines der Hörner sie streifte und an ihrer Seite eine blutige Linie zog. Woher waren nur so viele Uruschge gekommen? Sie waren keine Herdentiere. Kein Lied und keine Legende wies je darauf hin, dass sie sich organisierten. Wie konnte das sein?
    Sie biss um sich, stieg, trat. Sie stach mit ihrem Horn zu, fand ein Ziel, versenkte es in glitschigem Fleisch. Schon sprang sie wieder herum, sah einen weiteren ihrer Kämpfer fallen. Er lag zuckend im Blut, und es bedurfte ihrer gesamten Willenskraft, nicht hinzuzueilen, um ihm zu helfen. Sie wusste, sie konnte nichts mehr für ihn tun. Zum Heilen blieb keine Zeit.
    Schon sprang sie wieder fast senkrecht herum, versuchte den Hornstößen auszuweichen. Ohne Genugtuung stellte sie fest, dass auch schon einige Uruschge zuckend am Boden lagen. Sie schrien ihre Wut mit letzter Kraft heraus, als hätten sie nicht damit gerechnet, dass in einem Krieg nicht nur der Feind starb.
    » Geht ins Wasser! « , schrie Enygme sie an. » Geht zurück! Was wollt ihr hier? «
    Die schwarzen Augen ihres Gegners starrten sie

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