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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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die sich zu einem grazilen Ganzen verwoben. Die Fürstin sang nicht mit. Vielmehr labte sie sich an diesem Klang, spürte ihn auf ihrem Fell. Er drang durch ihre Haut ebenso wie durch ihr Ohr, erreichte ihre Seele und auch ihren Körper.
    Es war kein sehr intensiver Gesang, denn noch war die Aufmerksamkeit der Tyrrfholyn geteilt, und der weitaus größere Teil richtete sich auf den Feind.
    Der war noch nicht fort, umkreiste nach wie vor die Truppe der Einhörner, doch der Radius wurde weiter. Einer nach dem anderen verschwand zwischen den Bäumen und suchte vermutlich einen Wasserlauf auf, um darin die sengende Sonne zu ertränken.
    » Für den Augenblick haben wir sie vertrieben « , sagte Astur und sank zu Boden. » Doch sie sind noch in der Nähe und wenn sie sich erholt haben, kommen sie wieder. «
    » Außenwache! « , befahl Enygme leise. » Verletzte in die Mitte. Wir sollten unsere Heilgesänge, soweit sie hier möglich sind, abgeschlossen haben, bevor die Uruschge zurückkommen. Wer ist verletzt? «
    Verletzt waren sie alle. Manche leicht, manche schwerer. Und manche würden nie wieder aufstehen. Die Erkenntnis schüttete Trauer in die Herzen aller. Enygme schob die lähmende Traurigkeit von sich und spürte, wie auch andere dies taten. Später. Später würden sie trauern.
    Einer deutete mit dem Horn in Richtung der nahen Berge, die die Welt zerschnitten.
    » Da bewegt sich etwas im Fels. Was mag das sein? «
    » Noch mehr Feinde « , flüsterte Astur.

Kapitel 70
    Es wurde heller. Gelbes Kerzenlicht fiel auf die Treppe.
    Mit wackeligen Knien rannte Una keuchend weitere Stufen hoch und sah dann tatsächlich rechts in einer Wandnische eine kleine Laterne, in der gänzlich unbewacht eine Kerze brannte, einfach so, als hätte man gerade mal das elektrische Licht angelassen.
    Die Treppe endete an einer niedrigen Tür. Sie war mit mehreren schweren Riegeln verschlossen – von innen. Hier wollte wohl jemand verhindern, dass man von der Burg aus das unterirdische Reich der Schweigemenschen betrat.
    Einen Schlüssel schien man allerdings nicht zu brauchen. Die Schlösser waren einfach nur ein System von Eisenzungen, die quer über die Tür in Öffnungen geschoben waren.
    Una zerrte daran. Ein Fingernagel brach. Blut quoll aus dem Nagelbett. Sie ignorierte es.
    Una zischte, als einer der Riegel sich mühsam löste. Fast hätte sie ein Knarzen erwartet, doch die Schließanlage, so archaisch sie wirkte, war gut in Schuss und öffnete sich absolut geräuschlos. Natürlich. Krach machen lag diesen Menschen nicht.
    Nun der nächste Riegel. Unas Hände flogen flattrig über die Tür. Immer deutlicher konnte sie nun hören, dass hinter ihr jemand die Treppe hochkam. Zwar waren auch diese Verfolger leise, doch offenbar waren es genug, dass Una sie wahrnehmen konnte.
    Sie durften sie nicht kriegen. Sie musste hier raus. Warum war dieser Riegel derart schwer zu bewegen? Es war noch nicht einmal der letzte. Sie würde es nicht schaffen. Gleich würde man sie wieder gefangen nehmen. Und was dann?
    Der zweite Riegel rutschte auf einem Zahnrad geführt zur Seite. Nur ein leises Surren war dabei zu vernehmen. Nun zum dritten und letzten Riegel. Panisch riss sie daran. Die schleichenden Tapsgeräusche von unten kamen immer näher. Una wurde klar, dass sie keinesfalls gerettet war, wenn sie die Tür noch rechtzeitig aufbekommen sollte. Wenn sie hier rauskonnte, konnten es ihre Verfolger auch.
    Der dritte Riegel ließ sich problemlos beiseiteschieben. Nun noch die Klinke. Sie war schwer und unhandlich, ließ sich aber öffnen. Una schlüpfte zur Tür hinaus und schloss sie hinter sich. Sie stand in einem engen Gang, der nach einem Gesindetrakt aussah. Das erste Licht der Dämmerung fiel durch enge Schlitze in der Wand gegenüber. Links oder rechts? Sie hatte keine Ahnung, fing einfach an zu laufen.
    Ein letzter Blick zurück zeigte, dass die Tür von außen nicht als solche zu erkennen war. Man konnte nur ein Paneel in der Wand sehen. Una hätte nicht einmal gewusst, wie man sie von dieser Seite aufbekam. Sie wollte sie auch nicht aufbekommen. Am liebsten hätte sie sie zugemauert. Sie rannte weiter. Jeden Augenblick konnten ihre Verfolger durch die Tür treten. Sie musste bis dahin schon um die nächste Ecke gelaufen sein, sodass sie nicht mehr zu sehen war.
    Wieder Treppen, diesmal etwas breiter. Sie verließ den Gang und hastete seitlich an der Wand die Treppen hoch. Sie wollte nach oben. Sie wusste nicht mehr, in welchem

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