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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Mittler zu den Menschen. Andere vom Volk fanden sie nicht interessant. Er schon. Deshalb war er derjenige, der mit Menschen sprach. Mittler – in der Mitte. Das war einfach gewesen. Früher.
    Doch jetzt wurde es kompliziert. Kompliziert mochte er nicht. Sein Volk wusste mit kompliziert nichts anzufangen. Menschen waren schon kompliziert, ohne dass sie kämpften. Ihr Denken wucherte wie ein Dornbusch. Verflochten. Stachelig. Verhakt. Es war schwer, sie zu verstehen.
    Und Kentauren ging man aus dem Weg. Immer. Das war nicht schwer. Kentauren passten nirgendwo durch. Die Welt teilte sich. Es gab Wesen, die unten durchpassten, und solche, denen das nicht gelang. Mit Letzteren hatten die Erdwörge nichts zu schaffen.
    Kentauren passten nirgends durch. Sie passten auch nirgendwohin. Sie sollten nicht da sein. Doch es waren immer mehr geworden. Sie störten.
    Yurli dachte an den Zugangstunnel zum Bau des Volkes. Den sollte er nehmen. Schnell. Tunnel gab es schon lange. Menschen verbargen sich in der Tiefe. Erdwörge versteckten sich nicht, sie lebten einfach da. Das Volk grub den Bau. Der war schön. Sto-Nuyamen ragte nach oben, der Bau nach unten. Bis weit unter die eckigen Berge. Bis dahin, wo es warm wurde.
    Der Bau musste immer wachsen. Er wuchs auch nach Süden. Yurlis Volk war ein winziger Durchbruch gelungen. Sie nannten ihn » den tiefen Schlupf « . Doch dort schlüpfte noch niemand hindurch. Nicht von Nord nach Süd oder umgekehrt. Noch war der Schlupf zu eng. Und man musste achtgeben. Es gab Teile der Berge, wo der Fels zu flüssigem Feuer wurde.
    Vielleicht wäre es gut gewesen, mit den Tyrrfholyn zu reden – über die Menschen, über die Meister, über SIE . Doch die Tyrrfholyn im Süden wussten nicht viel. Und Einhörner gehörten nicht zum Volk. Sie passten nirgends durch.
    Yurlis Volk baute nie nach oben. Oben war besetzt. SIE war oben. Wer nach oben baute, war nicht mehr. Totes Volk.
    Lebendes Volk hatte die Verbindungen nach oben zugebaut. Die Schamanen wachten darüber. Und SIE hatte aufgehört, sich für das Volk zu interessieren. IHRE Gesänge wirkten nicht, denn das Volk hatte keine Musik.
    Yurli sprang erschrocken zur Seite. Auf einmal rannte ein Kentaur direkt an ihm vorbei, auf die Treppe zu. Er erklomm sie mit seinen vier Hufen, die auf dem Stein allzu laut klapperten. Entsetzen brach unter den Menschen aus. Sie wollten nicht, dass jemand in das nächste Stockwerk gelangte. Yurli konnte das verstehen. Noch höher zu klettern war grässlich.
    Doch da rannten sie schon. Die Kentauren stießen die Menschen beiseite, schlugen ihre Hufe in die am Boden Liegenden. Dann stürmten einige die Treppen hinunter und andere die Treppen hoch. Die Menschen blickten verwirrt und verzweifelt.
    » Nicht nach oben! « , flüsterte einer. » Oben ruhen die Meister! «
    Bald nicht mehr, dachte Yurli. Die Kentauren waren nicht leise.
    » Hinterher! « , flüsterte einer.
    » Weg hier! « , ein anderer.
    Wieder andere kümmerten sich um die Gefallenen, die blutend am Boden lagen. Adreiundfünfzigzwölf gestikulierte wütend.
    » Zurück nach unten! « , flüsterte auch er. Sicher hatte er recht. Doch es waren so viele Menschen da. So viele hatte Yurli noch nie beieinander gesehen.
    Einige zogen jetzt die Verletzten zur Treppe, die nach unten führte. Die anderen aber rannten nach oben. Auf leisen Sohlen stürzten sie den Kentauren hinterher. Sie hatten standgehalten. Das hatte etwas in ihnen ausgelöst. Oder war es das Mädchen gewesen? Ihre Worte hatten sich den Menschen auf die Seele gelegt wie zu starkes Beerenbier.
    Der Erdworg sah zur Treppe. Hinauf oder hinunter? Hinunter. Das war das einzig Vernünftige.
    Er fand sich dabei wieder, wie er Stufe um Stufe nach oben erklomm, den Menschen hinterher. Er würde das bereuen.
    Er war schnell. Klettern war etwas, das Erdwörge gut konnten. Ein Stockwerk höher sah es nicht anders aus als eben, fand er. Doch er hatte keinen Sinn für den Menschenbau. Sie bauten anders als Erdwörge.
    Eine weite Doppeltür stand offen. Man konnte die Huftritte der Kentauren hören. Da waren sie hineingegangen. Die Menschen folgten ihnen argwöhnisch, blieben am Eingang stehen, lugten um die Ecke.
    Sie stoben auseinander, als der ganze Pulk an Kentauren wieder aus dem Raum hervorbrach und wild zurück zur Treppe stürzte. Nach unten. Einer von ihnen schien schwer verletzt, doch sie halfen ihm nicht, stießen und drängelten aneinander vorbei. Yurli sprang gerade noch zu Seite, bevor er

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