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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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unterhalten. Früher hatte sie öfter mit Pferden geredet. Wenn man nicht wirklich eine ausformulierte Antwort erwartete, war das schon in Ordnung. Menschen redeten schließlich mit allem Möglichen, von der Schildkröte über den Papagei bis hin zum Computer.
    Sie schraubte ihre Wasserflasche zu, verstaute sie in ihren Satteltaschen und ging dann auf das Mäuerchen zu, hinter dem der freundliche Gaul stand und – wie es den Anschein hatte – gebannt auf sie wartete. Die großen Pferdeaugen ruhten auf ihr, das Ross rührte sich nicht, stand einfach da.
    Sie bedauerte, dass sie nicht einmal eine Karotte dabeihatte. Bei dem Gedanken an Essen bemerkte sie, dass auch sie hungrig war. Sie würde sich bald eine Bleibe suchen müssen, sonst müsste sie das Riesenpaket Müsliregel angehen, das ihr ihre Mutter aufgenötigt hatte.
    Allzu lange wollte sie hier sowieso nicht mehr bleiben. Una blickte auf die Uhr und erschrak. Sie hatte nicht gedacht, dass sie schon so lange hier war. Die Sonne sank bereits. Lange Schatten zogen vom Hügel über den Boden. Wenn sie nicht im Dunkeln mit dem Fahrrad ein B&B suchen wollte, sollte sie jetzt los.
    Einen Augenblick lang überlegte sie sich, ob sie hier wild campen sollte. Vermutlich würde niemand sie stören. Konnte man irgendwo sicherer sein als an einem Wallfahrtsort? In der Grotte wäre es windgeschützt. Das Gurgeln der Quelle würde eine perfekte Melodie zum Einschlafen sein. Tatsächlich war sie sehr müde. Am liebsten hätte sie sich einfach neben dem Wasser ausgestreckt und ein wenig geschlafen.
    Ihre eigenen Gedanken ließen sie hochschrecken. Was dachte sie da nur? Alleine in der Wildnis zu übernachten war eine Art Mutprobe, die sie wahrlich nicht brauchte. Sie, die sie schon das Außenklo verabscheute, sollte sich den Gedanken, hinter irgendeinem Steinmäuerchen pinkeln zu gehen, tunlichst aus dem Kopf schlagen. Wie kam sie nur auf so etwas?
    Es schien ihr, als läge ein ganz fremdes Wollen auf ihr, das ihr so abstruse Dinge einflüsterte. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie auf so etwas von ganz allein gekommen war. Um ihr Seelenleben musste es schlimmer bestellt sein, als sie angenommen hatte.
    Von der anderen Seite des Mäuerchens schnaubte das Pferd. Beinahe klang es ein wenig verächtlich. Doch das interpretierte sie gewiss nur hinein.
    Sie straffte die Schultern und trat entschlossen auf das Pferd zu. Es sah sie an, rannte nicht weg, wartete.
    » Hallo, du! « , sagte sie und streckte ihre flache Hand nach dem Pferdemaul aus. Fast sah es aus, als würde das Tier sie anlächeln. Es warf den Kopf und schüttelte seine Mähne. Selbst die war mehrfarbig.
    » Gehörst du jemandem? « , fragte sie. Connemara-Ponys liefen schon auch frei und wild durch die Gegend, aber meist im Nationalpark und nicht einfach so in der Landschaft.
    Eine unbändige Lust, aufzusitzen und eine Runde zu reiten, überfiel sie mit einem Mal. Es war niemand in der Nähe, wer könnte also schon etwas dagegen haben? Nur ein bisschen reiten. Sie würde das Pferd ja nicht stehlen.
    Wieder hatte sie das Gefühl, das Pferd grinse sie an, als sagte es: Komm doch! Reite auf mir, wenn du kannst! Ich bin hier. Steig einfach über die Mauer!
    Sie schüttelte den Kopf. So ein Blödsinn! Sie streichelte ihm sanft über die Nüstern. Sie fühlten sich weich und erstaunlich kühl an. Irgendwie hatte Una ein wärmeres Pferdemaul erwartet. Der große Kopf stupste gegen ihre Hand, und sie streichelte dem Pferd auch die Stirn.
    » Ich bin aus dem Alter raus, wo ich aus Begeisterung über ein Pferd ausflippe « , sagte sie. » Wenn man dreizehn, vierzehn ist, gibt es aber nichts Tolleres als euch « , fuhr sie fort. » Meine Mutter kann viele schlaue Dinge dazu sagen, die alle nichts erklären. Warum mögen Mädchen Pferde? Warum ist die Erde rund? Warum ist Schokolade toller als Brokkoli? «
    Das Ross wieherte, als lachte es über Unas Kommunikationsversuche. Es war wirklich sehr zahm. Einen kleinen Ritt würde man ihr doch sicher nicht übelnehmen.
    Die Mauer war zwar nicht hoch, dennoch wollte Una nicht darüberklettern. Dort wuchsen überall Brennnesseln. Anstatt Votivtäfelchen zu bringen, hätten die frommen Wallfahrer mal die Umgebung vom Unkraut befreien können. Natur war schön und gut, aber Brennnesseln waren so gar nicht ästhetisch. Als Stadtkind hatte Una mehr Sinn für sorgsam gepflegte Wildnis.
    Was dachte sie da nur für einen Schrott zusammen? Machte diese Quelle besoffen? Fast kam es Una so

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