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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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sie ein plötzlicher Schrecken: Sie würde ihn nicht wiedersehen. Er hatte einmal zu oft in seiner Wildheit über die Stränge geschlagen, dies eine Mal war es kein Spiel mehr. Sie konnte die Gefahr, in der Kanura schwebte, in der Luft spüren. Fast vibrierte ihr Horn, als es die Bedrängnis erfasste, in die sie und ihr ganzes Volk so unvermutet und plötzlich geraten waren.
    » Hrya-Enygme! « , rief Tenderyn wieder, diesmal formell mit Titel. » Eine überstürzte Entscheidung hat noch nie etwas Positives hervorgebracht. Der Weise wägt ab und wartet auf die sinnreiche Eingebung. Wir wissen nicht, was geschieht oder geschehen ist. Auch nicht, was geschehen wird … «
    Enygme verlor die Geduld.
    » Hört, Tenderyn, irgendetwas wird geschehen, und es wird schrecklich sein. Für mich, für Euch und für alle Tyrrfholyn in Talunys. Mehr muss ich darüber nicht wissen. Ich will verhindern, dass unser Volk zu Schaden kommt, und ich werde unseren Fürsten nicht im Stich lassen, ob Ihr mir nun helft oder nicht.«
    Dann lief sie los, das Horn waagerecht wie eine Wünschelrute nach vorne gestreckt. Sie sah sich nicht um. Doch die anderen folgten ihr. Die stärksten Tyrrfholyn vom Clan der Ra-Yurich galoppierten hinter ihr, ohne zu wissen, ob es weise und nötig war oder ob mit Bedacht gehandelt wurde.
    Gemeinsam flogen sie nahezu über die hügelige Landschaft, die zu den jäh aufragenden Bergen hin nur sehr langsam anstieg. Es war nicht die Richtung, die auch nur eines der Einhörner gerne einschlug. Doch sie folgten ihrer Fürstin. Enygme fragte sich, ob Tenderyn ebenfalls dem Aufruf nachgekommen war, doch sie konnte seine Anwesenheit nicht spüren. Er hatte ihrer Ahnung nicht geglaubt, ihre Entscheidung nicht gutgeheißen und fühlte sich der Elite der Ra-Yurich auch nicht zugehörig.
    Sie hätte ihn eigens einladen sollen. Seine Weisheit und Magie hätten ihnen helfen können. Warum hatte sie ihn nicht gefragt?
    Sie nahm sich vor, sich bei Tenderyn zu entschuldigen, sobald sie Esteron und Kanura gerettet hatten. Und Perjanu. Und Eryennis.
    Dann beschleunigte sie ihre Schritte noch mehr. Gleichzeitig rasten ihr so viele Gedanken durch den Kopf, zerrissen ihn fast, indem sie Planung mit Sorge mischten, und Politik mit Liebe.
    Die Herde donnerte weiter bergauf, sie würde jedoch die Geschwindigkeit nicht stundenlang beibehalten können. Zwischendurch wurden sie langsamer, versuchten, wieder zu Atem zu kommen und sich zu sammeln, als Volk, als Truppe und als fühlende Wesen.
    Enygme spürte die Nähe des Grauens, noch bevor sie es sah. Noch ein Hügel, dann würde das Flüsschen Sannen vor ihnen liegen. Hier – dessen war sie sich plötzlich sicher – war geschehen oder geschah, was ihrem Denken und Fühlen diese eine Richtung gegeben hatte.
    Sie war außer Atem und sandte ihre Erkenntnis an alle, die mit ihr gekommen waren. Gleich. Jenseits des Hügels, dort wird es kommen: Was immer kommen mag. Doch noch bevor sie auf der Kuppe des Hügels angelangt war und sehen konnte, was auf der anderen Seite geschah, wusste sie, dass sie zu spät kam.

Kapitel 14
    Zwei gegen fünf. Hra-Esteron hatte keine Zeit mehr, sich nach seinem Sohn umzusehen. Er kämpfte mit vollem Einsatz und wusste doch, dass sie verloren waren.
    Perjanu schrie, als seine Verletzungen ihn zu Boden zwangen. Sein Blut tränkte das matschige Ufer und vermischte sich mit dem des Hra, der ebenfalls aus vielen Wunden blutete.
    Mit letzter Kraft bohrte Esteron sein Horn durch das Auge eines Uruschge, der daraufhin kreischend zu Boden fiel. Doch noch blieben vier Uruschge übrig, und das bedeutete, dass acht spitze Hörner auf ihn einstachen. Wie sollte er sie mit nur einem Horn abwehren?
    Mit seinen magischen Kräften hatte er es immerhin eine kurze Weile lang vermocht, seine Angreifer auf Abstand zu halten. Ein paar kostbare Minuten lang trafen die Hornwaffen der Ungeheuer ihn nicht, glitten an ihm ab, verfehlten ihn um Haaresbreite.
    Doch gegen die spitzzahnigen Mäuler der Wasserpferde konnte Esteron nichts ausrichten. Immer wieder biss einer der Uruschge zu, schnappte mit scharfen Zähnen nach ihm und brachte ihm eine Wunde nach der anderen bei.
    Noch hatten sie keine Schlagader getroffen, doch es war nur eine Frage der Zeit. Er erwehrte sich nicht nur der Feinde, sondern auch zunehmend der Überzeugung, dass keiner von ihnen diesen Kampf am Sannen überleben würde. Sterben mussten alle Geschöpfe irgendwann einmal, doch er hatte gehofft, noch ein paar

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