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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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erklären konnte. Er zog sie auf die Füße, hielt sie am Oberarm.
    » Es tut mir so leid « , sagte er. » Aber ich konnte dich dort nicht lassen. «
    Sie schwankte auf den Füßen. Sein Griff wurde fester.
    » Du kannst wirklich nicht mehr weiter « , konstatierte er verdrießlich. » Ich vergesse manchmal, wie schwach ihr doch seid. «
    Eine so abfällige Bemerkung von einem Mann hätte sie vermutlich zu anderer Zeit nicht auf sich sitzen lassen. Ärger wallte in ihr auf. Da brachte der Typ sie fast um und beschwerte sich dann, dass sie geschwächt war. Er war also nicht nur unverschämt und völlig verrückt, sondern auch noch frauenfeindlich. Scheißkerl.
    Doch sie war selbst für eine verbale Auseinandersetzung zu erschöpft. Mochte er doch denken, was er wollte.
    Mit der Linken hielt er ihr ihre Satteltaschen entgegen.
    » Bitte halt das für einen Augenblick! Kannst du … « , er machte eine Pause, als wollte er etwas Ungebührliches sagen, » … reiten? « , fragte er dann.
    Sie starrte ihn an. Warum wollte er das wissen – er, der mit Dolchen auf Pferde losging? Sollte sie ihm die Wahrheit sagen? Ja, sie konnte reiten. Oder sollte sie besser lügen? Vielleicht mochte er Reiter ebenso wenig wie Pferde?
    Sein Blick schweifte von ihr fort, über ihre Schulter nach hinten. Seine Augen suchten etwas.
    » Dreck! « , zischte er, und Una wusste instinktiv, dass es ein Fluch sein sollte.
    Im nächsten Augenblick hatte er seine Waffe wieder in der Hand. Sie glänzte im Sternenlicht wie poliertes Elfenbein. Una schnappte erschrocken nach Luft. Jetzt. Jetzt würde er sie umbringen!

Kapitel 22
    Das Menschenmädchen hatte fürchterliche Angst vor ihm. So viel hatte er verstanden. Kanura war es gewohnt, dass Menschen ihn respektierten. Schließlich war er der Sohn des Hra, und die Menschen in Talunys achteten die Einhörner. Zwischen Achtung und Furcht bestand jedoch ein Unterschied.
    Die junge Frau schien überhaupt nichts zu begreifen. Und unter Respekt verstand er auch etwas ganz anderes. Was sie empfand, war abgrundtiefe Panik und einen Widerwillen, der dem Hass schon nahe kam. Ihre Gefühle zu spüren war alles andere als angenehm, und er schottete sich so gut es ging dagegen ab. Die Menschen in der Menschenwelt waren wohl doch anders als die in Talunys.
    Auch jetzt wieder starrte sie ihn an, als wollte er sie umbringen. Dabei wollte er sie doch beide retten!
    Er glaubte nicht mehr, dass der Uruschge von der anderen Seite hinter ihm her war. Vielleicht hatte das Biest tatsächlich nicht überlebt. Oder es wollte nicht noch einmal Bekanntschaft mit seiner Hornklinge machen, dachte er kurz mit grimmigem Stolz.
    Kanura hatte erwartet, zurück an die Brücke zu kommen, an der sein Vater und Perjanu kämpften. Das Mädchen mit ins Wasser zu ziehen, war nur ein Reflex gewesen. Der Uruschge hätte es mit Sicherheit nicht am Leben gelassen. Doch sie mitten in ein Gefecht mitzunehmen, ergab bei näherer Betrachtung genauso wenig Sinn.
    Doch nun tobte gar kein Gefecht, als er aufgetaucht war. Der Bach war auch nicht der Sannen. Auf einer Seite stieg die Uferböschung an, wurde zum steinigen Hügel und dann immer steiler zum Gebirge. Es gab auch keine Brücke.
    Er konnte weder seinem Vater noch Perjanu beistehen und hatte zudem ein Menschenmädchen im Schlepptau, das er besser in der Menschenwelt gelassen hätte. Hier gehörte es nicht hin, und zurück würde es vielleicht auch nicht können. Keiner der Menschen, deren Ahnen irgendwann den Weg nach Talunys gefunden hatten, hatte je zurückgefunden. Vielleicht hatten sie das auch nicht gewollt. Das Leben dort schien laut Erzählungen um einiges ungerechter und beschwerlicher als hier.
    Er hatte zurückgewollt! In der Menschenwelt zu bleiben, war ihm zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen. Er gehörte nicht dorthin. Die Nymphe hatte ihm zwar die Flucht ermöglicht, aber er hatte sofort zurückkommen wollen. Er musste doch seinem Vater im Kampf beistehen.
    Nur war es dafür inzwischen vermutlich zu spät. Der Gedanke, den Fürsten und den Schanchoyi im Stich gelassen zu haben, bohrte sich tief in das Herz des Einhorns. Der Verlust, den Kanura nur ahnen konnte, schmerzte tief. Doch er musste sich konzentrieren, denn er hatte im Moment eigene Probleme.
    Etwas verfolgte ihn. Er konnte es spüren, und es war kein vertrautes Erkennen, das ihm im Innersten eröffnet hätte, ein Freund oder doch wenigstens etwas Wohlgesonnenes wäre in der Nähe. Er sandte seine Wahrnehmung aus in

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