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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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nervös. » Ich kann Sie nicht sehen. «
    » Komm! « , wiederholte die Stimme, diesmal schon etwas weiter entfernt, und Una blieb nichts anderes übrig, als dem Klang zu folgen.
    Als sie ein paar Schritte in seine Richtung getan hatte, fiel sie beinahe hin. Mit den Händen tastete sie nach dem Hindernis – es war ein Felsen, kniehoch, der direkt vor ihr gestanden hatte. Una begriff, dass das Wesen dahinter gestanden oder gekauert haben musste. Sie hatte nie mehr sehen können, als den Kopf mit den Augen und die Umrisse eines großen Steins.
    » Komm! « , flüsterte es wieder. Diesmal konnte Una zumindest die Bewegung eines Wesens vor sich ausmachen. Doch konnte das sein? Es war doch viel zu klein, hatte nur die Größe eines Erdmännchens. Una schüttelte den Kopf. Das war unmöglich. Das alles war unmöglich.
    Sie strengte ihre Augen an, um den wendigen Wuselschatten nicht zu verlieren und doch gleichzeitig auf den Boden zu sehen, um nicht über irgendwelche Steine oder Felsen zu fallen. Ihr aufgeschlagenes Knie tat immer noch weh. Auch ihr Arm schmerzte. Und an ihre Lunge wollte sie gar nicht denken.
    Doch wenn es ihr jetzt gelang, sich bis Tagesanbruch zu verstecken, dann war sie vielleicht gerettet! Wenn es erst einmal hell war, würde sie schon wieder zur Straße finden.
    Wo war er hin, der kleine Kerl? Una sah ihn nicht mehr. Hilflos stolperte sie weiter durch das steinige Terrain. Sie war so unendlich müde. Das alles hatte sie doch ganz erheblich mitgenommen. Schlafen wäre schön. Natürlich nur in Sicherheit. Und zur Polizei würde sie auch gehen, die in Irland Garda Síochána, die Friedenswächter, hieß. Was sie genau sagen würde, wusste sie nicht.
    Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Erst retten, dann weitersehen.
    » Wo sind Sie? « , flüsterte Una. Kurz über dem Boden vor ihr leuchteten die beiden Augen auf.
    » Hier rein. Mir nach « , sagte die Stimme, und die Augen verschwanden. Una bückte sich und tastete sich auf allen vieren voran. Im schwachen Sternenlicht erkannte sie die Öffnung an einem leicht ansteigenden Hang erst, als sie direkt davor war. Das wuselige Wesen hatte sie zu einem Loch im Boden geführt, einem schmalen, horizontalen Spalt im Fels und war dann selbst darin verschwunden.
    Una überlegte einen Moment, ob es wirklich eine gute Idee war, ihm zu folgen. Sie wusste nicht einmal, was das für ein Wesen war.
    Una blickte sich um. In der Dunkelheit konnte sie Kanura kaum mehr sehen, doch als sie hörte wie er etwas in die Nacht rief, fasste sie ihren Entschluss. Gleich würde er zurückkommen, und sie musste ja nicht lange in diesem Loch bleiben. Nur so lange, dass er sie nicht fand.
    Sie legte sich auf den Boden und spähte in das Loch hinein. War die Sternennacht schon dunkel gewesen, so war es in dem Loch stockfinster. Sie konnte überhaupt nichts erkennen. In ihren Satteltaschen war die kleine Taschenlampe, doch die hatte sie liegen lassen. Zurückgehen war undenkbar.
    Sie drehte sich um und schob sich mit den Füßen voran in die Höhlung. Die Spalte ging nach unten, und während sie sich weiter nach innen schob, erwartete sie, jederzeit am Ende der Öffnung anzustoßen. Una wagte kaum zu atmen, so eng war der Spalt, und plötzlich blieb sie stecken. Una drang der Schreck durch die Glieder, bis sie feststellte, dass niemand sie festhielt, sondern dass sich ihr kleiner Rucksack, der immer noch auf ihrem Rücken hing, am oberen Ende des Eingangs festgehakt hatte. Ihn in dieser Position abzulegen, war gar nicht so einfach. Nach mehreren Versuchen zog sie den Rucksack schließlich wie einen Pullover aus und schob sich dann weiter bäuchlings voran.
    Una war schon aufgefallen, dass es nach unten ging, doch nun wurde es immer abschüssiger. Wie hatte sie nur so unvorsichtig sein können, ohne Licht in ein schwarzes Loch zu kriechen! Schon musste sie sich nicht mehr voranschieben, sondern geriet von allein ins Rutschen. Una krallte sich mit den Fingern in den Boden, doch auf dem glatten Stein gab es wenig, woran man sich festhalten konnte. Ihre Hosenbeine schoben sich nach oben, Erde und kleine Steinchen schrappten an ihren Unterschenkeln entlang. Ihr eigenes Gewicht zog sie nach unten in die absolute Dunkelheit. Wo war eigentlich ihr kleiner Retter hin?
    Und was genau hatte er wirklich gewollt?

Kapitel 25
    Kanura lief zu der Stelle, wo er Una zurückgelassen hatte. Ihre Satteltaschen waren noch da. Sie selbst nicht. Er sah sich um. So lange war er doch

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