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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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dabei ein wenig verlegen dreinzublicken, denn Bücher hätte er sicher auch weiter entfernt ordnen können. Menschen waren neugierig. Es war ihr Wissensdurst, der sie stetig voranbrachte.
    » Bezüglich der Nymphenseelen « , hub er an und pausierte dann schüchtern.
    » Ja? « , fragte Esteron geduldig.
    » Ich habe gehört, wie Ihr und der werte Schanchoyi Nymphenseelen erwähnt habt. Freilich weiß ich nicht allzu viel über die Seelen von Nymphen zu sagen … «
    Er räusperte sich und blickte etwas befangen drein. Hra-Esteron wusste, dass es den Menschen schwerfiel zu glauben, dass Wesen, die keine Menschen waren, ebenfalls Seelen hatten. Den Tyrrfholyn schienen sie diesen Besitz inzwischen zuzugestehen – über den ausnehmend verschlungenen Umweg von religiösen Eigenschaften, die sie ihren Gastgebern zuschrieben, die jedoch nur bedingt mit den Eigenschaften identisch waren, die die Tyrrfholyn tatsächlich als ihnen zugehörig akzeptierten.
    Doch wenn es um andere Wesen Talunys’ ging, so konnten die Menschen nach wie vor nur schwer akzeptieren, dass eine Seele nicht das Vorrecht der Menschen war, ihnen verliehen von einer klar umrissenen göttlichen Instanz. Dieses Festgefahrensein in Dogmen, die in Talunys keine Bedeutung hatten, war letztlich das, was den Menschen manchmal selbst das Leben schwermachte. Vielleicht war das in ihrer eigenen Welt nicht anders?
    » Bitte, fahrt fort, Meister Peter « , forderte Esteron ihn auf.
    » Also, in den Archiven wird an einer Stelle auf einen Edelstein hingewiesen, der sich ›Nymphenseele‹ nennt. Es ist freilich nur ein Name, denn Nymphen haben ja keine … « , er räusperte sich abermals und fuhr fester fort. » Jedenfalls gibt es Steine, die so heißen. Es mag sich also gar nicht um Nymphen handeln, sondern quasi um geologische Sachverhalte. Schließlich beinhalten Blutsteine auch kein Blut, und Mondsteine fallen nicht vom Mond. «
    Zu anderer Zeit hätte Esteron gerne ein Streitgespräch über die mögliche Existenz von Seelen in Nymphen aufgenommen, doch heute ging es ihm nur um Fakten.
    » Steine? « , fragte er deshalb.
    » Edelsteine. «
    Wieder schwieg der Archivar. Vielleicht war es ihm unangenehm. Menschen hingen an Dingen, denen sie unterschiedlichen Wert beimaßen; so waren manche Steine für sie eben nur Steine, andere aber Edelsteine und somit wertvoll. Beurteilten die Tyrrfholyn eine Sache nach Schönheit und Sinnhaftigkeit – und der Harmonie zwischen diesen beiden Eigenschaften –, so beurteilten die Menschen sie häufig nach einer Werteskala, die sie vor vielen Generationen aus ihrer Welt mitgebracht hatten und die sich den Einhörnern nur bedingt erschloss.
    Die kleinen grauen Augen des Archivars fixierten die großen Augen des Tyrrfholyn. Es sah aus, als wartete er auf ein Aha-Erlebnis, das dem Fürsten mit einem Mal völlig neue Erkenntnisse verschaffen würde. Dieser stand jedoch nur da und sagte nichts.
    » Kanura hielt einen Stein in der Hand « , gab Perjanu zu bedenken. » Ob das ein edler Stein war, weiß ich nicht zu sagen. Wir hatten keine Zeit, ihn näher zu betrachten. Doch ich erinnere mich, dass er blau war. Nur, wie soll uns das weiterhelfen? «
    » Mit Verlaub « , sagte Peter. » Die fürstliche Schatzkammer. Dort gibt es Edelsteine. «
    Die fürstliche Schatzkammer war etwas, was ebenfalls die Menschen initiiert hatten. Sie hatten die Herrschaft der Tyrrfholyn nur sehr vereinzelt infrage gestellt, doch sie hatten ihre eigenen, allzu menschlichen Vorstellungen von dem, was einen Fürsten ausmachte. Ein Regent ohne Schatz war undenkbar. Und so hatten die Traumwerker über die Jahrhunderte hinweg Kleinodien gefertigt und dem jeweiligen Hra oder der Hrya geschenkt. Es war ihr Beitrag zum Gemeinwohl, gleichwohl war es Anerkennung der Herrschaft der Tyrrfholyn.
    Die Tyrrfholyn wussten die Schönheit der Gegenstände zu schätzen, so wie sie die Talente der Menschen zu nutzen wussten. Dennoch wurden diese Schmuckstücke nur sehr selten getragen. Esteron brauchte keine Krone, um Hra zu sein. Er war es, weil er es war.
    Er war schon eine Weile nicht mehr in der Schatzkammer gewesen. Die Verwaltung oblag einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich gerne damit befassten, die Schätze aufbauten und anordneten, in Bücher eintrugen und ihren tieferen Symbolgehalt all jenen mit Begeisterung erklärten, die sie einfach nur schön fanden.
    Der Hra starrte Peter Buchmeister einen Augenblick nachdenklich an.
    » Nun denn « , sagte er dann. »

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