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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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So wollen wir nachsehen, ob wir einen Stein finden, der dem gleicht, den Kanura in der Hand hielt. Ich wünschte, ich hätte ihn mir genauer angesehen. «
    Der Archivar nickte eifrig.
    » Es handelt sich also wirklich um einen Edelstein und nicht um eine … Seele? «
    Perjanu lächelte milde.
    » Meister Peter, das eine schließt das andere nicht aus. «
    » Mit Verlaub « , gab der Archivar zurück. » Eine Seele ist kein Stein. «
    » Und was genau ist eine Seele? Woraus besteht sie? « , bohrte Perjanu mit einem kleinen Lächeln nach.
    Der Mensch wand sich etwas unruhig und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Esteron das Wort ergriff.
    » Das ist jetzt unerheblich, gehen wir in die Schatzkammer. «
    Er drehte sich um und verließ mit langen Schritten die Bibliothek, blickte nicht einmal zurück, ob der Schanchoyi ihm folgte. Große Hoffnungen machte er sich nicht, dass sie in der Schatzkammer fündig werden würden, doch es galt, jedem Hinweis und jeder Idee nachzugehen.
    Sie erreichten die Schatzkammer nach wenigen Minuten. Der Raum selbst war vertieft und halb in den Boden eingelassen, fast wie ein Verlies. Esteron eilte die Stufen hinab und ignorierte die kunstvollen Statuen, die diesen Weg zierten – Bildnisse von Vorgängern in vollem Ornat, die Hörner stolz in die Höhe gerichtet.
    Er öffnete die Tür mit einem Gedanken, noch bevor seine Hand die Klinke berührte. Alle Kerzen, die den Raum zu beiden Seiten säumten, flammten auf. Er war sich kaum bewusst, dass er das ausgelöst hatte.
    » Blauer Stein « , sagte er.
    » Funkelstein, Glitzerseele « , keuchte Perjanu schwer atmend. Er zitierte wieder die Nymphenballade.
    Esteron sah sich um. Es gab hier keine einzelnen Steine. Jeder Stein war in einem Schmuckstück verarbeitet. Er stieß zischend einen leisen Fluch aus und hoffte, niemand würde es bemerken. Es geziemte sich nicht in seiner Position.
    » Und nun? « , fragte Perjanu.
    » Wir suchen alles durch. Eins nach dem anderen. «
    » So schöne Dinge! « , merkte der Archivar bewundernd an, » ich habe sie erst einmal gesehen. «
    » Ja, sie sind wahrlich schön. Obgleich ich sagen muss, dass mir der Gedanke, eine Seele zu Schmuck zu verarbeiten, nicht behagt « , bemerkte Perjanu.
    » Der Stein heißt nur so! « , meinte Peter Buchmeister.
    » Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ihr könnt gehen, Meister Peter. Wir wissen selbst kaum, wonach wir suchen. Wir danken Euch für Eure Inspiration und Eure Kenntnisse. Sie sind uns stets hilfreich. «
    Der Archivar verneigte sich und verschwand durch die Tür.
    » Noch eines! « , rief Perjanu ihm hinterher. » Schweigt über unsere Suche. Wir möchten keine unnötige Hoffnung schüren, die dann in Enttäuschung mündet. Und eine theologische Diskussion darüber, wer wann wie welche Seele hat und wie die aussieht, können wir uns im Moment zeitlich auch nicht erlauben. Habt Dank, noch einmal! «
    Sobald der Buchmeister die Tür hinter sich geschlossen hatte, begannen sie zu suchen. Ein jedes Schmuckstück nahmen sie aus der jeweiligen Vitrine, hoben es von dem bestickten Kissen, auf dem es lagerte, hielten es ins Kerzenlicht, strichen mit den Fingern darüber.
    » Der Gedanke, ein Traumwerker könnte die Seele einer Nymphe geschliffen und in Gold gefasst haben, verursacht mir Kolik « , brummte Perjanu nach einer Weile.
    » Lass uns keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir wissen ebenso wenig über Nymphenseelen wie Meister Peter « , beschwichtigte Esteron.
    » Aber wir halten uns alle Möglichkeiten offen. «
    » Das alte Problem, mein Freund. Menschen haben vorgefasste Meinungen zu fast allem. Deshalb sehen sie meistens auch nur das, was ihre Meinung bestätigt. «
    » Ja. Und wenn sie eine Entscheidung treffen, so ist die schon gefällt, bevor sie noch darüber nachgedacht haben. «
    » Du urteilst zu harsch, Perjanu. Auch Menschen haben ihre Vorzüge. Unser Meister Peter wollte nur helfen. Vielleicht ist es ihm sogar gelungen. Und vielleicht hat er recht, und ›Nymphenseele‹ ist nur die Bezeichnung für einen Stein. «
    » Dann hätte Kanura gelogen. Glaubst du das etwa? «
    » Nein. Aber bedenke, in welcher Situation Kanura sich befunden hat. Er könnte sich geirrt haben. «
    Schweigend suchten sie weiter. Über die Jahrhunderte waren wirklich eine Menge Kleinodien zusammengetragen worden. Viel Gold schimmerte ihnen entgegen, ein Material, das in Talunys häufig vorkam, und das die Menschen mit einer Art Hochachtung bedachten.
    Esteron

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