Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
heiligen Quelle? Ich weiß, dass Menschen hier zum Beten herpilgern. Aber diese etwas übertriebene Art der Ganzkörpertaufe steht in keiner der Infobroschüren beschrieben. Nicht, dass ich auf die viel gäbe. «
» Die Quelle ist heilig? « , fragte Perjanu jetzt, immer noch ziemlich atemlos.
» Irland ist voller heiliger Quellen. Die meisten werden einem bestimmten Schutzpatron zugesprochen, aber ihre Bedeutung ist eindeutig vorchristlich. Egal, welchem Glauben die Menschen anhingen, diese Quellen waren schon immer wichtig. « Sie rappelte sich ein wenig auf und saß nun im Schneidersitz da, in seltsamen, engen blauen Hosen und einem weichen, lindgrünen Hemd ohne Knöpfe, das eine Art regenbogenfarbigen Strahlenkreis auf der Brust zeigte. » Ich hoffe, meine freie Interpretation beleidigt nicht irgendwelche religiös-dogmatischen Gefühle. « Sie klang nicht, als hätte sie wirklich Angst davor, sie zu beleidigen.
» Durchaus nicht « , versicherte Perjanu. » Die Quellen dürften schon sehr lange etwas Besonderes sein. Und das religiöse Dogma der Menschen … « , er hielt kurz inne, als suchte er nach den richtigen Worten, beendete dann aber seinen Satz nicht. » Ich heiße Perjanu « , stellte er sich vor. » Ich bin … Gelehrter. Das ist mein … « , wieder suchte er nach Worten, » Lehnsherr, Hra-Esteron. « Er schien ganz stolz, dieses Wort ausgegraben zu haben. So wie er es aussprach, benutzte er es nicht oft.
» Interessant « , sagte die Frau und lächelte amüsiert. » Wann trifft man schon noch einen Lehnsherrn? Muss man ihn mit einem besonderen Titel anreden? Euer Durchlaucht, vielleicht? «
» Esteron reicht « , sagte der Hra und lächelte die Frau an. Sie war nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt. Für einen Menschen hatte sie eine ganz besondere Ausstrahlung. Er mochte sie. Vermutlich tendierte man dazu, Wesen zu mögen, die einem die Hinterflanken retteten. » Vielen Dank für die Hilfe. Wir wären beinahe ertrunken. «
» Das habe ich gesehen, auch wenn ich es mir nicht erklären kann « , gab sie zurück. » Können Sie es erklären? «
» Man kann nicht alles erklären « , sagte Perjanu schnell.
» Ein interessanter Ansatz « , gab sie zurück. » Ich dachte, es läge in unserer menschlichen Art, alles erklären zu wollen, selbst wenn wir an unserer eigenen Logik so lange schrauben müssen, bis wir eine langweilige Ausrede mit Fachausdruck für das Unerklärliche gefunden haben. «
Esteron schmunzelte anerkennend.
» Ein Wasserlauf ist ein Weg « , sagte er. » Einen Weg geht man, wenn man ein Ziel hat. Mein Ziel ist es, meinen Sohn zu finden. Er ist uns verloren gegangen. Wir suchen ihn. «
Die Frau wurde mit einem Mal sehr ernst.
» Ich suche meine Tochter « , sagte sie. » Sie wollte hierher. Ihr Fahrrad habe ich gefunden, aber von ihr selbst keine Spur. Ich habe schon die Garda informiert. Aber die meint, man solle noch abwarten, sie würde schon wieder auftauchen. Sie geht nicht an ihr Handy. Sie wollte allein sein. Ich hätte sie ja auch allein gelassen, aber ich hatte diese schreckliche Ahnung. Das halten Sie sicherlich für dumm. «
» Durchaus nicht « , versicherte Esteron. » Ahnungen haben Gewicht bei denen, die jenseits des Alltäglichen sehen und fühlen können. Doch Menschen können das nicht – meist nicht « , verbesserte er sich.
Er stand auf, trat aus der Grotte und blickte in die Weite, fuhr sich dabei mit der Hand über die nassen Kleider. Einen Augenblick später waren sie trocken.
Ein erstaunter Laut ließ ihn wieder zu der Frau herumfahren.
» Esteron, mein Freund « , sagte Perjanu sanft. » Du verunsicherst die edle Dame mit deinen … Tricks. «
» Stimmt « , murmelte Esteron entschuldigend und verneigte sich. » Das wollte ich nicht. «
Sie blickte vom einen zum anderen.
» Können Sie das auch? « , fragte sie Perjanu. » Oder wollen Sie mir gleich erzählen, ich hätte mir das gerade eingebildet? «
» Ich wünschte, Ihr hättet es nicht gesehen, doch ich will Euch Eure Wahrnehmung nicht ausreden. Und ja, ich kann das auch. «
» Wie machen Sie das? « , fragte sie ganz aufgeregt.
» Das ist M…, äh, das ist schwer zu erklären. «
» Magie? « , fragte sie eifrig, ihre Wangen waren ganz rot geworden. » Es ist Magie, nicht wahr? Echte Magie? Meine Güte! «
Esteron ließ sich vor ihr auf einem Knie nieder.
» Bitte beruhigt Euch. Es ist nichts Schlimmes. Ihr müsst gewiss nicht der Inquisition davon berichten. «
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