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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Namen Perjanu, hörte, war im Auto schlecht geworden. Irene hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, am Straßenrand anzuhalten und dem Mann die Tür zu öffnen, weil er den Türgriff nicht fand. Danach hatte er in einen Ginsterbusch gekotzt. Sein Freund, den Irene in ihren Gedanken nur den Lehnsherrn nannte, war ihm hinterhergestürmt und hatte den Arm um ihn gelegt. Dann hatte er leise zu singen begonnen mit einem Bass, der Christopher Lee alle Ehre gemacht hätte. Die Stimme war Irene direkt in die Seele gefahren und dort irgendwie stecken geblieben.
    Natürlich sollte man keine fremden Männer mitnehmen. Nicht im Auto und nicht mit nach Hause. Hätte Una das getan, Irene hätte vermutlich mütterlich-fürsorgliche Schreikrämpfe bekommen.
    Sie hatten gemeinsam noch eine Weile an der Quelle herumgesucht, aber nichts mehr gefunden, was auf Unas oder Kanuras Anwesenheit hindeutete. Die Männer waren recht schweigsam gewesen, und schließlich – Irene hatte gerade festgestellt, dass der Wasserstand der Quelle offenbar einem Zyklus unterworfen war, denn sie schien sich in ihrem Strömungsverhalten plötzlich zu verändern – hatten sie sehr vehement darauf gedrungen, ganz schnell woandershin zu gehen, um alles Weitere zu bereden.
    Was genau es zu bereden gab, war Irene nicht klar. Die Männer wussten nicht, wo Una sein konnte, und hatten auch keine Ahnung, wo ihr eigener verloren gegangener Sprössling abgeblieben war. Aber Irene hatte sich von ihrer Dringlichkeit anstecken lassen. Sie hatte kaum bemerkt, wie die beiden Fremden sie an den Ellenbogen gefasst und rasch von der Quelle fort, den Hügel hochbugsiert hatten, sonst hätte sie sich das sicher verbeten. Doch ihr Handeln schien von einer unerklärlichen Logik zu sein – oder doch immerhin von einer nicht zu widerlegenden Konsequenz. Das Gefühl, diese beiden Männer wüssten, was sie taten, war in Irene als ganz selbstverständlich angekommen, und so überlegte sie erst, als sie wieder unten an der Straße standen, dass es so gar nicht ihre Art war, sich von Kerlen herumscheuchen zu lassen. Sie war zu alt für so einen Mist.
    Oder doch immerhin zu reif und vernünftig.
    Die beiden Männer hatten keine Ahnung, wo sie hinsollten. Sie blickten etwas verloren über die Landschaft, wollten die Garda Síochána nicht nach ihrem Sohn fahnden lassen, wollten auch in kein Pub. Aber reden wollten sie. Über heilige Quellen.
    Also hatte Irene sie eingeladen. Noch während sie die Einladung ausgesprochen hatte, hätte sie sich bereits selbst in die Hinterfront treten können. Anstatt ihre Tochter zu suchen, belastete sie sich nun mit zwei Fremden, von denen sie absolut gar nichts wusste und die schon ein wenig merkwürdig waren. Wie eckige Klötzchen in einer runden Welt. Sie passten nicht in das Bild des Durchschnittsiren, auch nicht in das des Inseltouristen. Überhaupt hatte Irene völlig vergessen zu fragen, wo sie eigentlich herkamen. Sie nahm sich vor, es zu tun, vergaß es jedoch von Mal zu Mal, wenn sich das Gespräch weiterentwickelte oder Perjanu in den Ginster kotzen musste oder sie im Blick der nachtblauen Augen des Lehnsherrn hängenblieb.
    Die Männer taten gerade so, als hätten sie noch nie ein Auto gesehen. Sie hatten mit den Füßen auf der asphaltierten Straße herumgetrampelt, als könnten sie deren Härtegrad nicht fassen. Sie hatten sich in Irenes gemieteten Corsa gezwängt, als glaubten sie, viel zu riesig für das Gefährt zu sein. Und das mit dem Anschnallen hatte auch nicht ohne Hilfe funktioniert.
    » Was um Gottes willen seid ihr gewöhnt? « , hatte Irene gefragt. » Pferdekarren? Oder Föderations-Raumschiffe? Beides kommt, soweit ich weiß, ohne Sicherheitsgurte aus. «
    Der ältere Mann und der Lehnsherr hatten gelacht, und ihr Lachen war so ungeheuer ansteckend, dass Irene mitgelacht und nicht weiter nachgefragt hatte. Sie verstand nicht, wie ihr die wichtigen Fragen, die ihr auf der Zunge lagen, immer wieder irgendwie abhandenkamen. Woran lag das nur? War sie wirklich so fasziniert von dem Lehnsherrn, dass sie wie ein Teenager alles Wichtige und jede Vorsicht vergaß? Vielleicht waren die Typen gefährlich?
    Nun, beide Männer waren interessant, wenngleich der Hüne mit den langen, schwarz schimmernden Haaren einen ungleich tieferen Eindruck auf sie machte. Sie war nicht mehr unbedarft genug, um ihre Gefühle da nicht richtig einzuordnen. Sie fand ihn – wirklich – sehr attraktiv auf eine durchaus physische Weise. Als Vater eines

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