Die Quellen Des Bösen
wohnen. Der eine ist sogar der Vater eines recht bekannten Sohnes.«
»Von Arnarvaten, dem Geschichtenerzähler? Fatjas Ehemann?«, mutmaßte Waljakov wenig begeistert.
»Genau der«, bestätigte sie.
Bitte, ihr Götter, lasst es ihn nicht gewesen sein. Und trotzdem würde er ihm den ersten Besuch abstatten.
»Und wie erhalten wir unsere Antworten?«, wollte sie wissen.
Der muskulöse Mann, neben dem Håntra zierlich und zerbrechlich wirkte, bleckte die Zähne zu einem Lächeln, das ihr ein wenig Angst einjagte. »Ich frage sie ganz höflich. Meinem Liebreiz können die Wenigsten widerstehen.«
Etwas später am Abend standen sie vor dem Haus, in dem jener Mann wohnte, der unter Umständen Rickseles Tod verschuldet hatte.
»Ja?« Arnarvaten Tøngafå riss mit einem mürrischen Gesicht die Tür auf und betrachtete das seltsame Paar auf seiner Schwelle. Als er die Kleidung der Priesterin erkannte, wurde er sofort freundlicher. »Was kann ich Gutes für Euch tun?«
»Wir hätten ein paar Fragen an Euch«, sagte die Kalisstronin in unverfänglichem Tonfall. »Sie sind persönlicher Natur.«
Der Mann runzelte die Stirn. Man sah ihm deutlich an, dass ihm der Besuch merkwürdig vorkam. »Persönlich? Was heißt das?«
»Wir sollten das im Haus besprechen«, schlug die Frau vor. »Zwischen Tür und Angel lässt sich nicht gut reden.«
»Ich weiß nicht, ob ich überhaupt mit Euch reden will.« Tøngafå zog den Kopf zurück und wollte die Tür schließen, als Waljakov seinen Fuß in den Spalt schob.
»Wir reden. Ob es dir passt oder nicht.« Er machte einen Schritt nach vorn und drängte sich durch den Eingang. Der Kalisstrone wich zurück.
»Das ist eine Ungeheuerlichkeit von Euch, Eisblick«, machte er seinem Ärger Luft. »Wenn Ihr nicht ein sehr guter Freund meiner Schwiegertochter wärt, würde ich auf der Stelle die Miliz rufen.« Waljakov trat in die Stube und setzte sich gleichgültig in den Sessel. »Fühlt Euch nur wie zu Hause«, fügte er ironisch hinzu. »Um was geht es?«
»Wir sind auf der Suche nach einem Mörder«, verkündete der einstige Leibwächter kalt und bannte den Mann mit seinen grauen Augen. »Du könntest es durchaus gewesen sein. Da dachten wir, wir fragen dich einfach.«
Der Kalisstrone lachte laut auf. »Das muss ich unbedingt meinem Sohn erzählen. Er ist immer dankbar für eine gute Geschichte.«
»Die meisten hat er wohl von Euch?«, erkundigte sich Håntra und stellte sich neben ihn.
Tøngafå nickte. »Ich habe ihm das Talent in die Wiege gelegt, ja. Auch wenn ich nicht weiß, was das mit der unsinnigen Tatsache zu tun hat, dass Ihr sogar in mein Haus kommt und törichte Beschuldigungen aufstellt. Wen soll ich eigentlich umgebracht haben? Und wie?«
»Ihre Schwester«, sagte Waljakov finster und schnellte hoch, um sich vor dem Mann aufzubauen. »Ricksele.«
Die Unsicherheit, die in den Augen seines Gegenübers aufflackerte, sagte mehr als sämtliche Worte. »Ich habe keine Ahnung, wen Ihr meint«, log Tøngafå viel zu offensichtlich. »Wann soll ich das Eurer wahnwitzigen Meinung nach getan haben?« Er überspielte sein Erschrecken mit vorgetäuschter Selbstsicherheit.
»Vor ziemlich genau vierundzwanzig Jahren«, erklärte ihm Waljakov ohne jedes Gefühl. »Du warst mit ihr am Feuerturm, der erste in südlicher Richtung nach Bardhasdronda. Wo ihr eure Initialen in den Stein geritzt habt.« Arnarvatens Vater duckte sich zusammen, die Augen weiteten sich. »Du hieltest sie am Gürtel und hast sie fallen lassen. Sie bezahlte ihr Vertrauen in dich, ihre Liebe zu dir, mit dem Leben.«
»Nein«, stieß Tøngafå hervor. »So war es nicht.«
»Nun muss sie als Spuk umherziehen«, setzte Waljakov nach. »Wegen dir.«
»Ich habe sie nicht getötet.« Der Kalisstrone plumpste auf einen Stuhl und legte die Hände in den Schoß, den Blick gesenkt. »Es war ein Unfall«, gestand er leise. »Warum wollt Ihr längst Vergessenes ausgraben? Was ändert es an der Geschichte? Ricksele wird dadurch nicht lebendig.«
»Sie ist niemals gegangen«, erwidert Håntra. »Aus Gram, aus Enttäuschung hat sie schon viele Unschuldige in den Tod gerissen. Das wusstest du doch!«
Tøngafå sackte in sich zusammen. »Ich vermute, Ihr seid als Nächster an der Reihe, den Verstand zu verlie- ren?«, sagte er an Waljakov gewandt. »Ich wünsche Euch viel Glück und den Beistand Kalisstras, damit Ricksele Euch …«
»O nein.« Waljakov packte ihn am Oberarm und stellte ihn auf die Füße. »Ich
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