Die Quellen Des Bösen
man keine Leichen vom Feind auf den Schlachtfeldern gefunden hat? Ich glaube nicht, dass sie gegen Schwerthiebe immun sind. Oder dass sie riesige Zähne haben, mit denen sie die Adern ihrer Opfer bei lebendigem Leib aufreißen.«
Die ersten Kerle verschwanden aus der Schlange und trollten sich die Gasse hinunter.
»Kommt zurück, Feiglinge!«, brüllte Tokaro ihnen nach, während er in seiner Tasche suchte und etwas gut sichtbar in die Höhe hielt. Es war ein Fangzahn, ungefähr so lang wie ein kleiner Finger. Man hörte erschrockene Ausrufe. »Schau her, ihre Zähne sind gar nicht mal so groß. Den hier hat man in der Eisenrüstung eines toten Tarpolers gefunden. Muss dem Grünhaar wohl abgebrochen sein, als er sie durchbiss.«
Die nächsten Burschen rannten davon, das Heer der Freiwilligen lichtete sich.
Die Soldaten betrachteten ihn misstrauisch, die Leute blieben stehen, um nach dem Krakeeler zu schauen. »Du da! Reite weg«, versuchte ihn einer zu verscheuchen.
»Aber Euch ist doch eben einer weggelaufen. Ich nehme seinen Platz gerne ein.« Tokaro drängte seinen Schimmel an die Position des Deserteurs. »Ich lasse mich mit Freude verstümmeln, von meinen Füßen bis zu den Armen, damit der gute göttliche Kabcar, der die Steuern angezogen hat, der von uns den Kampf verlangt, der die Leibeigenschaft mit aller Macht vorantreibt und der sich Tzulan in die Arme wirft, noch mehr Land bekommt. Der Kabcar liebt uns so sehr, dass er sich für uns zum Kaiser krönen lassen will. Kein anderer kann diese schwere Bürde des Herrschens auf sich nehmen. Würde einer von Euch andere Landsmänner unterjochen wollen?«
Die Umstehenden lachten leise.
Der Kommandant schaute aus dem Fenster. »Hör auf!«, zischte er Tokaro zu.
»Ich lobe den göttlichen Kabcar, wann es mir passt. Oder will mir ein Soldat der hoheitlichen Armee verbie- ten, seinen höchsten Vorgesetzen zu verherrlichen?«, beschwerte sich der junge Mann voller Entrüstung. »Nun, setzt meinen Namen auf die Liste derer, die sich mit Freude auslöschen lassen. Mir gilt mein Leben nichts, wenn ich es für den Mann gebe, der seine Untertanen haufenweise töten lässt.«
»Bist du irre?«, schrie der Kommandant und sprang erbost aus dem Fenster, die Perücke schlug ihm ins Gesicht.
»Er hat doch die Totendörfer niederbrennen lassen, oder etwa nicht? Dank sei Govan Bardri¢, der uns vor unzähligen Krankheiten beschützt hat. Dank sei dem göttlichen Govan Bardri¢, der Menschenopfer verlangt, wie man sich erzählt.«
»Verschwinde, bevor ich dich festnehmen lasse«, befahl der Offizier wütend.
»Wegen was?« Tokaro wurde mit einem Mal ernst. »Habe ich etwas Falsches gesagt oder bislang nur die Wahrheit verkündet, Herr?« Er schlug sich an die Stirn. »Beinahe hätte ich es vergessen: Welcher von den beiden hoheitlichen Söhnen der Bardri¢-Familie steht denn mit uns zusammen an der Front? Mir ist nämlich nichts von einer Befreiung des Erlasses für Adlige oder andere Höhergestellte bekannt. Ich bin so aufgeregt, dass die Elite mit uns einfachen Menschen gegen die Kensustrianer anrennt!«
Nun waren die Umstehenden gespannt. Der Kommandant wusste nicht, was er sagen sollte. »Schleich dich.«
»Also keiner?« Liebenswürdig schaute er auf ihn herab. »Dennoch will ich aber bitte, bitte für den guten göttlichen Govan Bardri¢ kämpfen«, bettelte er übertrieben. »Ich mache den Truppen mit meinen Worten doch Mut.« Er schaute auf die sechs Männer, die von der gan- zen Schlange noch übrig geblieben waren. »Fühlt ihr euch nicht bestärkt, den Kensustrianern entgegenzutreten?«
Unsicher wechselten sie Blicke.
»Hau ab! Wir brauchen keine Kämpfer mehr!«, schnauzte der Kommandant in seiner Not.
Doch nicht der glühende Bewerber ritt davon, sondern das verbliebene halbe Dutzend nahm nach der Aufforderung augenblicklich die Beine in die Hand. Der Platz vor der Werberstube präsentierte sich menschenleer.
»Wirklich? Wie schade«, meinte der Ordenskrieger und wendete Treskor. »Sagt mir Bescheid, wenn sich das ändern sollte, Herr.«
»Du bleibst!«, verlangte der Offizier, der verstand, dass er übertölpelt worden war. »Du bist festgenommen. Wegen Aufwiegelung!«
»Ihr ändert Eure Meinung schnell. Erst soll ich reiten, nun bleiben.« Überrascht schaute sich der junge Mann um. »Aber ich sehe gar niemanden mehr, den ich hätte aufwiegeln können«, meinte er keck. »Da kommt mir ein Gedanke: Soll ich Euch ein bisschen aufwiegeln?« Er drehte
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