Die Quellen Des Bösen
eine Vorstellung, welchen Eindruck das bei den Untertanen macht, die übrigens wegen jeder Kleinigkeit, und sei es, dass sie die Anrede ›Göttlicher‹ nicht ausgesprochen haben, zu lebenslanger Haft oder zum Tode verurteilt werden? In seiner Gnade lässt er ihnen die Wahl. Ein echter Zyniker.«
»Eure Schule, Mortva.« Die Schilderung der Vorgänge machte Zvatochna unruhig. »Wie ist die Stimmung bei den Menschen?«
»Ihr wollt wissen, ob Ihr einen Aufstand befürchten müsst, Hohe Herrin?«, lächelte er sie an. »Nein, noch ist es nicht so weit. Der Tod des alten Kabcar und die verheerende Niederlage bieten noch ein ordentliches Polster, was die Leidensfähigkeit der Untertanen anbelangt. Doch sie ist nicht unendlich, gerade mit Blick auf die verschärften Steuern.« Er suchte den Blick der Tadca. »Ich habe versucht, ihn dazu zu überreden, dass er die Rücknahme der harten Gesetze innerhalb eines gewissen Zeitraumes verkündet, um wenigstens den Anschein zu erwecken, es werde sich wieder etwas ändern.«
»Er hat abgelehnt?«
»Ich gestehe es ungern ein, aber er hört immer seltener auf meine Ratschläge.« Traurig und besorgt nickte der Berater. »Euch wären diese Fehler sicherlich nicht passiert. Ihr seid mehr mit den unterhändlerischen Gaben Eurer Mutter gesegnet. Abgesehen von dem kleinen Ausrutscher in Ammtára, Hohe Herrin. Ihr werdet die Brojaken und Adligen besänftigen müssen. Es haben sich Lücken aufgetan.«
»Sagt nicht, dass er welche umgebracht hat?« Die junge Frau sah mit einem Mal ihre Arbeit in Ulsar, die sie in den Aufbau von Vertrauen in der höheren Schicht investiert hatte, zunichte gemacht. Dabei brauchten sie den Rückhalt der Reichen. Und der Garnisonen.
Ihr Bruder übersah diesen Umstand nur allzu gern. Auch wenn er auf herkömmliche Weise unbesiegbar geworden war, ohne die Streitmacht würde er alle hochfliegenden Eroberungspläne im Alleingang ausführen müssen.
Und diese Allmacht, ein Land wie Kensustria als Einzelner in die Knie zu zwingen, traute sie ihm nicht zu.
»Es handelte sich dabei um zwei Offiziere, Oberst Gajeschlik und Olitkow. Sie zählten zu Euren glühendsten Verehrern, Hohe Herrin. Dummerweise machten sie keinen Hehl daraus.« Er blickte zur Decke. »Versteht, seine Eifersucht nimmt allmählich erschreckende Ausmaße an. Jeder, der in Eure Nähe kommt und Euch länger ansieht, mit Euch redet, läuft Gefahr, unter Vorwänden inhaftiert zu werden.«
Dunkel erinnerte Zvatochna sich an ein Gespräch, das vor langer Zeit zwischen ihr und dem Berater stattgefunden hatte. Bei dem es sich um die Übernahme des Thrones durch ihre Person gedreht hatte.
Mit Mutter zusammen wäre das Regieren einfacher, dachte sie nicht zum ersten Mal. Govan will einfach zu schnell zu viel. Sie würde sich mit Macht begnügen. Ihr Bruder trachtete trotz seiner völligen Überlegenheit gegenüber allen Lebewesen auf Ulldart danach, ein Gott zu werden. Und dabei wurde es immer offensichtlicher, dass er weder auf die Menschen noch auf das Land Rücksicht nahm.
Nesreca betrachtete ihr Gesicht und schien die Gedanken hinter ihrer Stirn zu lesen. Er versuchte mit seinen leisen Einflüsterungen zu retten, was zu retten er im Stande war.
Sein Schützling war kaum noch zu kontrollieren. Es nützte nichts, wenn die Menschen den Kabcar stürzten, bevor Tzulan in seiner alten Macht wieder auferstand. Es fehlte nicht mehr allzu viel, das Ziel lag in greifbarer Nähe. Dennoch, ob man kurz vor dem Erreichen der Absicht scheiterte oder am Anfang, für das Versagen an sich war dies ohne Bedeutung. Die bisherigen Mühen müssen sich gelohnt haben.
Durch einen Machtwechsel zugunsten Zvatochnas und einige hastige Reformen könnte der weiter aufkochende Volkszorn gekühlt werden. Andernfalls zeichnete sich eine Katastrophe ab. Karet und Ammtára sah er als beste Beispiele. Die kleineren Übergriffe gegen Steuereintreiber quer durch das ganze Land glichen Funken, die rasch einen Brand auslösten.
Der Berater spürte, dass sich die Tadca seinen Argumenten nicht mehr so vehement entzog, wie sie es vor einigen Monaten noch getan hatte. Dafür besaß sie zu sehr die Anlagen ihrer Mutter, die sie zu einer Herrscherin ausgebildet hatte, die ihre Gelegenheiten ergriff.
Nun wollte er die letzten Nägel einschlagen, die die Schatulle des Zweifels vollends verschlossen.
»Verfügt Ihr über genügend Phantasie, Euch den Wunsch auszumalen, dessen Erfüllung er von Euch verlangen wird?«, fragte er harmlos
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