Die Quellen Des Bösen
ärgerte er sich über sich selbst.
Die Tür öffnete sich. Eine zierliche Gestalt in einem braunen Mantel huschte herein und kam auf ihn zu.
»Was wird das? Bist du der Helfer des Folterknechts?«
Die behandschuhten Finger tasteten nach dem Schloss, ein Schlüssel glitt hinein und löste die Fesseln.
»Ist das eine Falle?« Tokaro zog die Kapuze nach hinten und schaute in Zvatochnas Gesicht. »Du?« Die Kabcara zog ihn auf die Beine. »Rasch! Mein Bruder und Nesreca werden bald hier sein«, flüsterte sie und zerrte ihn zum Ausgang.
Doch der junge Mann blieb stehen. »Was soll das? Die zukünftige Gemahlin des ¢arije hilft einem Spion?«
Ihre braunen Augen blitzten auf. »Erinnere mich bloß nicht daran. Du hast ja keine Ahnung.« Von einer Sekunde auf die andere lächelte sie sehnsüchtig, ihre vom Leder geschützte Hand streichelte seine Wange. »Wie gern würde ich dich küssen, Liebster.«
»Was bedeutet das? Was ist mit Govan? Die Heirat …«
»… ist eine Farce.« Sie wirkte plötzlich sehr unglücklich. »Ich muss mich ihm beugen. Was soll ich ihm entgegensetzen? Er ist zu mächtig. Nichts Irdisches vermag ihn aufzuhalten. Bis mir etwas eingefallen ist, spiele ich das treue Schwesterlein.« Sie legte ihren schwarzen Schopf gegen seine Brust. »Aber du kannst ihm entfliehen. Lauf und kehre nicht zu deinen Freunden zurück. Sie sind dem sicheren Untergang geweiht.«
Beinahe war er von ihrer Ehrlichkeit überzeugt. »Du rettest mir zum zweiten Mal das Leben, Zvatochna«, meinte er mit belegter Stimme und drückte sie an sich. Sie hob ihr wunderschönes Gesicht. »Noch haben wir es nicht geschafft.«
Die Kabcara lief los, führte ihn vorbei an den getöteten Wachen nach oben ins Schloss und lotste ihn an den Hinterausgang. Dort lagen die Uniform eines tarpolischen Soldaten, der passende Brustharnisch, zwei Handbüchsen und eine lange Präzisionsbüchse samt Zubehör parat.
»Von hier aus musst du es allein schaffen.«
Etwas verlegen betrachtete er seine nackten Füße, während er sich Handschuhe überzog. »Ich brauchte noch ein paar Stiefel.«
»Dazu ist keine Zeit, Liebster.« Gehetzt schaute sie sich um. »Es muss gelingen. Ein weiteres Mal werde ich dir nicht beistehen können.«
Er zog sich hastig um. Dabei fiel ein kleiner Gegenstand klingelnd zu Boden.
»Mein Talisman«, erkannte die Kabcara das Amulett wieder, das er ihr damals beim Straßenüberfall auf die Kutschte geraubt hatte. »Du hast ihn immer noch?«
Die Kette muss in der Küche gerissen sein. Deshalb ist er mir unter das Hemd gerutscht. Er hob das blinkende Kleinod auf und seufzte. »Ich muss dir etwas gestehen, Zvatochna«, begann er. Sei nicht töricht. Sie wird dich auf der Stelle mit ihrer Magie grillen oder die Wachen zusammenschreien, wenn du ihr nun sagst, dass die Liebe zwischen euch beiden keinen Bestand hat, warnte ihn eine innere Stimme.
Erwartungsvoll schaute ihn die junge Frau an. »Ja?«
Er lachte unsicher. »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, Zvatochna«, gestand er verzweifelt. Seine Linke umfasste ihre Rechte, küsste sie auf das Leder. »Ich bin dir für das, was du getan und gewagt hast, von ganzem Herzen dankbar.« Er drehte die Hand um und legte den Anhänger hinein, drückte die Glieder sanft zusammen. »Aber es darf nicht sein.«
»Wieso?«, begehrte sie verletzt auf. »Wenn es wegen Govan ist, warte es ab«, versuchte sie ihn umzustimmen, »vielleicht ergibt sich schon bald etwas …«
Der Ritter schüttelte den Kopf. »Nein, nicht nur deswegen. Wir stehen uns zu nahe, Zvatochna.«
»Ist das nicht ein Grund, erst recht zusammenzufinden, wenn sich die Lage beruhigt hat?« Flehend packte sie die Aufschläge seiner Uniformjacke. »Weise mich nicht zurück, Tokaro. Tu mir das nicht an.« Ihr Griff wurde stärker. »Jeder Mann im Reich sehnt sich nach mir. Ausgerechnet du, der Mann, den ich liebe, soll über Nacht meinem Zauber widerstehen?«
Wie könnte ich? Wie gern hätte er sie umschlungen, seine Lippen auf ihre gedrückt und sie nie mehr losgelassen. Wenn sie meine Gedanken lesen könnte, wenn ich sie aussprechen könnte, wüsste sie, was uns trennt. Sanft löste er ihre Finger, nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände. »Schau in meine Augen. Was siehst du dort?«
Traurig betrachtete sie das leuchtende Blau. »Es sind die Augen des Mannes, dem ich mich versprochen habe. Ihm oder keinem anderen.«
»Sieh genauer hin und erinnere dich!«
»Es ist die Farbe des Himmels, des Glücks.«
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