Die Quellen Des Bösen
vor der Statue, und die Ordensangehörigen beugten die Köpfe zum Gedenken an den Kabcar.
»Ehret die Toten!«, schallte die Stimme des Großmeisters deutlich über den grabesstillen Platz. »Ehret Lodrik Bardri¢! Sein Andenken soll für immer bewahrt werden.«
Lange verharrten die Ritter in dieser Position und boten den überwältigten Ulsarern ein eindrucksvolles Schauspiel.
»Der Kabcar ist tot, es lebe der Kabcar«, gab Nerestro das Zeichen zum Aufbruch. Die Standarte wurde bis ans Ende der Fahnenstange gezogen, und der Rest des Gefolges schloss zu den eigentlichen Gotteskriegern auf.
Erst als der Zug den Marktplatz vollständig verlassen hatte, setzten die Fanfaren und Pauken ein. Die beschlagenen Hufe klapperten über das Kopfsteinpflaster; wie ein Echo warfen die hohen Häuserfronten den Hall zurück, wenn die Musiker eine Pause einlegten.
Der Seneschall lenkte sein Pferd an die Seite des Großmeisters. »Ihr habt dem Kabcar die Stirn geboten, bevor Ihr ihn zum ersten Mal saht«, meinte Herodin.
Nerestros Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. »Ich verdanke seinem Vater mehr als ihm. Wenn er sich ebenso für uns einsetzt, wird ihm der Orden im Fall seines Ablebens ebenfalls diese Ehre erweisen, bevor er seinen Nachfolger aufsucht«, lautete seine kühle Erklärung. »Außerdem soll Nesreca ruhig wissen, was ich von ihm und dem Thronfolger halte, der sich von Ulldrael dem Gerechten losgesagt hat. Ich bin gewiss kein Freund des Ährensammlers, aber habt Ihr die Kathedrale gesehen?«
Der Seneschall nickte knapp. »Es sieht so aus, als bräche die Dunkle Zeit mit dem neuen Herrscher an.«
Der Kampfhandschuh des Großmeisters legte sich an den Griff der aldoreelischen Klinge. »Nun ja, wir haben dem Hause Bardri¢ Treue geschworen, daher werden wir uns nicht gegen es wenden. Aber warnen kann man den jungen Mann vor den Machenschaften Nesrecas trotzdem.« Wenn es nicht zu spät ist. Oder er ihn nicht von Grund auf verdorben hat .
»Manchmal frage ich mich, wie weit Treue gehen darf und welchen Sinn Schwüre machen«, wagte Herodin einzuwerfen.
»Es ist kaum der Zeitpunkt, sich über einen Gelöbnisbruch zu beraten«, beendete Nerestro streng die Unterhaltung. Dass er sich diese Frage insgeheim selbst schon stellte, traute er sich nicht zu sagen. »Lasst uns abwarten, welchen Eindruck Govan Bardri¢ auf uns macht.«
Sie ritten in den Palasthof ein und entdeckten die riesigen Gerüste, die sich um den protzigen Regierungssitz erhoben; vereinzelt waren erste Steinmetze bei der Arbeit, die sich an der Fassade zu schaffen machten. An anderen Stellen wurden Steinchimären mit Lastrollen nach oben gezogen.
Großmeister und Seneschall wechselten bedeutungsvolle Blicke.
Während die Ritter Angors draußen in den Sätteln ihrer Pferde blieben, saßen die beiden Höchsten des Ordens ab und marschierten durch die vielen Korridore, Gänge und über Treppen, bis sie ins Audienzzimmer gelangten, wo sie von Govan, Zvatochna, Krutor und Nesreca empfangen wurden.
Die Augen des missgestalteten Tadc glänzten auf, als die Gerüsteten eintraten. Die Begeisterung für die Glaubenskrieger sprang ihm aus dem Gesicht.
Der Kabcar, gekleidet in eine üppig bestickte Uniformvariation, schaute beinahe gelangweilt auf die Besucher, seine Schwester dagegen schenkte ihnen ein gewinnendes Lächeln, sodass den beiden Männern beinahe das Herz stehen blieb. Der Konsultant, der mit gefalteten Händen schräg neben dem Thron stand, nickte knapp.
Nerestro und Herodin ließen sich auf das Knie herab und beugten ihr Haupt vor dem jungen Herrscher. Dass dem Großmeister diese Geste Schwierigkeiten bereitete, war offensichtlich. Als ihn sein Seneschall stützen wollte, untersagte er es ihm mit einer knappen Geste. »Der Kabcar ist tot, lange lebe der Kabcar.«
»Ist das Eure ehrliche Ansicht, oder wiederholt Ihr der Einfachheit halber die Floskeln?«, entgegnete Govan blasiert.
»Die aufrichtigen Worte des Großmeisters vom Ordens der Hohen Schwerter sind keine Phrasen, hoheitlicher Kabcar«, erwiderte Nerestro mit gerunzelter Stirn. »Ich fühle mit Euch, denn der Verlust muss sehr leidvoll für Euch sein. Ich kannte Euren Vater sehr gut und verdanke ihm sehr viel. Wir werden sein Andenken immer bewahren. Ihm zu Ehren wollen wir sehr gern ein Turnier abhalten, wie Ihr es wünschtet.«
»Nicht meinem Vater habt Ihr viel zu verdanken, sondern dem Hause Bardri¢. Ich wünschte mir dieses Turnier auch nicht, ich verlangte es in
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