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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Stab wurde nach oben hin dicker und endete in einer Gummidichtung an der Unterseite des Shuttles, das auf drei ausfahrbaren, fünfzig Zentimeter langen Beinen auf dem Boden stand. Während des Flugs war die Gummidichtung durch eine Metallklappe geschützt, aber momentan flog das Shuttle nicht, und die Sensoren waren abgeschaltet.
    Mulch kletterte aus seinem Tunnel und hakte den Kiefer wieder ein. Das, was jetzt kam, war Präzisionsarbeit, und er brauchte die Kontrolle über seine Zähne. Gummi gehörte nicht zu den empfohlenen Nahrungsmitteln für Zwerge und durfte nicht hinuntergeschluckt werden. Halb verdautes Gummi konnte seine Eingeweide ebenso gründlich verschließen wie ein Fass Klebstoff.
    Es war ein schwieriger Biss, der Winkel war ungünstig. Mulch drückte seine Wange gegen den Ladestab und schob sich nach oben, bis seine Schneidezähne ein wenig von der Dichtung zu packen bekamen. Er ließ seinen Unterkiefer in kleinen Kreisen rotieren, bis die oberen Zähne das feste Gummi durchbrachen. Dann biss er fest zu und riss ein zwanzig Zentimeter großes Stück aus der Dichtung heraus. Jetzt konnte Mulch einen Teil seines Kiefers in die Lücke schieben. Er biss große Stücke heraus, sorgsam darauf bedacht, sie sofort wieder auszuspucken.
    In weniger als einer Minute hatte Mulch ein dreißig mal dreißig Zentimeter großes Loch hineingefressen, gerade groß genug, um sich hindurchzuschieben. Jeder, der Zwerge nicht kannte, hätte darauf gewettet, dass Mulch mit seinem wohlgenährten Bauch nie im Leben durch eine so kleine Öffnung passte, aber er hätte sein Geld verloren. Zwerge sind seit Jahrtausenden darin geübt, sich aus eingestürzten Tunneln zu befreien, und haben die Fähigkeit entwickelt, sich sogar durch noch schmalere Löcher als dieses zu quetschen.
    Mulch zog den Bauch ein und schlängelte sich mit dem Kopf zuerst durch die zerbissene Gummidichtung. Er war froh, dass es so dämmrig war. Sonnenlicht konnten Zwerge nämlich nicht vertragen, schon nach wenigen Minuten wurde ihre Haut röter als ein gekochter Hummer. Er hangelte sich an dem Ladestab in den Maschinenraum des Shuttles, der zum größten Teil von flachen Batterien und einem Wasserstoffgenerator ausgefüllt war. In der Decke war eine Klappe eingelassen, die vermutlich in den Frachtraum führte, und an den Wänden befanden sich kleine Lämpchen, die ein grünliches Licht verbreiteten. Das diente dazu, ein eventuelles Leck im Generator sichtbar zu machen, denn austretende Strahlen würden in diesem Licht violett erscheinen. Dass die Lämpchen trotz abgeschaltetem Strom noch funktionierten, lag daran, dass das Licht von einer speziell gezüchteten Algensorte stammte. Von alldem hatte Mulch natürlich keine Ahnung, aber das Licht erinnerte ihn an das grünliche Schimmern von Zwergenspeichel, und unter diesem vertrauten Eindruck entspannte er sich - leider ein bisschen zu sehr, denn er ließ einen quietschenden Rest Tunnelgas aus seiner Poklappe fahren. Hoffentlich hatte das keiner gemerkt...
    Etwa dreißig Sekunden später hörte er Opals Stimme von oben. »Ich weiß nicht, wer von euch einen fahren gelassen hat, aber wenn das nicht sofort aufhört, werde ich mir eine passende Strafe ausdenken.«
    Ups, dachte Mulch schuldbewusst. In Zwergenkreisen gilt es fast als kriminell, Gas abzusetzen und zuzulassen, dass jemand anders die Schuld dafür bekommt. Aus reiner Gewohnheit hätte Mulch sich beinahe schuldig gemeldet, aber zum Glück war sein Überlebensinstinkt stärker als sein schlechtes Gewissen.
    Kurz darauf kam das Signal. Es war kaum zu überhören. Die Explosion warf das gesamte Shuttle zwanzig Grad aus der Horizontalen. Der Moment war gekommen, sich hineinzuschleichen und Artemis zu vertrauen, wenn er sagte, es sei fast unmöglich, eine Explosion nicht zu beobachten.
    Mit der Schädeldecke hob Mulch die Deckenklappe einen winzigen Spalt an. Halb rechnete er damit, dass jemand von oben drauftrat, doch im Frachtraum war niemand. Er öffnete die Klappe ganz und kletterte nach oben. Hier stand und lag allerlei interessantes Zeug herum: Kisten voller Goldbarren, durchsichtige Behälter mit oberirdischem Geld und Schaufensterpuppen, die mit antikem Schmuck behängt waren. Offenbar hatte Opal nicht die Absicht, ihr neues Menschendasein in Armut zu führen.
    Mulch schnappte sich einen einzelnen Diamantohrring von einer der Puppen. Gut, Artemis hatte ihm gesagt, er solle nichts mitnehmen, aber ein Ohrring würde ihn schließlich nicht behindern.

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