Die Rache
dass es sich bei zwei der Toten um Bandits handelte, und die meisten Journalisten zogen daraus den Schluss, dass zwischen den Bandits und einer lokalen Gang namens Headless Corpses ein alter Streit aufgeflammt war.
Währenddessen lag der Hauptzeuge schweigend in einem kleinen Raum, ausgestattet mit Spielzeug und Kissen, einem Einwegspiegel, einer Videokamera über der Tür und anatomisch korrekten Puppen, mit denen Kinder die entsetzlichen Dinge nachspielen konnten, die sie erlebt hatten.
Da Kate McLaren die einzige weibliche Diensthabende gewesen war, hatte sie die Mutterrolle übernommen. Dantes Kleider waren zur forensischen Untersuchung geschickt worden. Während ihn ein Arzt durchcheckte, war sie zu seiner Beruhigung an seiner Seite geblieben und hatte ihn dann nach oben gebracht, damit er heià duschen konnte. Danach hatte sie den Manager von Woolworth dazu überredet, früher zu öffnen, damit sie Unterwäsche, Trainingsanzug und Turnschuhe für einen Sieben- bis Neunjährigen kaufen konnte. Die ganze Zeit über hatte Dante, ebenso wie in
den darauffolgenden vier Stunden, kein einziges Wort gesprochen.
Als Kate nun den kinderfreundlichen Raum betrat, erschien es ihr darin viel zu warm. Dante musste es allerdings noch viel wärmer sein, denn er hatte sich unter allen Kissen und Plüschtieren versteckt, die er finden konnte. Das leise Klicken der Tür lieà ihn aufsehen und er schob sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor er sich wieder tot stellte.
»Du hast ja gar nichts gegessen«, sagte Kate leise, als sie das Tablett am Boden betrachtete.
Da sie nicht wusste, was Dante mochte, hatte sie Milch, Saft und Cola bereitgestellt, dazu zwei verschiedene Sandwiches, Kekse, Obst, Chips und Schokolade.
»Ich kann dir besorgen, was du magst, Dante. Fish und Chips, Schinkensandwich, ein Happy Meal.«
Die Kissen über Dante bewegten sich, und der Junge grunzte trocken. Kate lächelte in der Hoffnung, dass sie endlich einen Durchbruch erzielt hatte.
»Hast du gerade gesagt, dass du ein Happy Meal möchtest? Was hast du am liebsten, Dante? Einen Burger? McNuggets?«
»Bin ich dann happy?«, fragte Dante ironisch.
Kate verspürte einen schmerzhaften Stich der Trauer, als sie sich vorstellte, was Dante wohl mit angesehen haben musste. Es war zwar tatsächlich ein Durchbruch, dass er jetzt redete, aber sie war keine Psychologin und hatte keine Ahnung, was sie erwidern sollte.
»Als ich so alt war wie du, habe ich Schlümpfe gesammelt«, erklärte sie. »Kleine blaue Männchen mit weiÃen Mützen. Meine Eltern haben Gutscheine bekommen, wenn sie getankt haben, und für zehn Coupons bekam man einen Schlumpf.«
Dante spürte Kates Verzweiflung. Es kam ihm irgendwie gemein vor, dass sie so besorgt war und ihm Fragen stellte, die er ignorierte, aber er konnte nicht anders. In seinem Kopf herrschte eine furchtbare Finsternis. Alles tat ihm weh: Farben, Geräusche, der Gummigeruch seiner neuen Turnschuhe, das juckende Etikett in seinem T-Shirt. Er wollte etwas sagen, aber schon der Gedanke an die kleinste Regung erfüllte ihn mit Entsetzen.
»Möchtest du lieber mit jemand anderem sprechen?« , fragte Kate. »Vielleicht mit deiner Lehrerin? Oder würdest du lieber mit einem Mann sprechen anstatt mit mir? Wir wollen dich nicht drängen, Dante, aber du kannst uns wirklich sehr helfen, wenn du uns sagst, was passiert ist.«
Dante musste an seinen Dad denken. Er war vorübergehend aus dem Gefängnis entlassen worden, damit er bei Dantes Geburt dabei sein konnte, aber danach musste er noch den Rest seiner achtzehnmonatigen Strafe wegen Drogenbesitz und Raubüberfall absitzen. Er hatte Dante erzählt, dass die Cops ihn hereingelegt hätten. Er war der Meinung, dass sie völlig unnütz waren und jeder seine Probleme selbst regeln sollte. Die Cops waren Abschaum in seinen Augen,
und ihre Informanten waren Verräter und noch abscheulicher als jeder Kinderschänder.
Aber Dante war noch nicht erwachsen. Es würde noch lange dauern, bis er sich auf seine Harley setzen und dem Commander mit einer Pistole oder einem Messer gegenübertreten konnte. Sollte er also zum Verräter werden oder lieber so lange warten, bis er alt genug war, um sich zu rächen?
Dante wälzte sich in den Kissen und spürte plötzlich einen brennenden Schmerz in der Blase.
»Ich muss aufs Klo«, stieà er
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