Die Rache-Agentur
Menge Kerle, die echt in Ordnung sind. Ich bin mir sicher, dass du den Richtigen finden würdest, wenn du nur am richtigen Ort nach ihm Ausschau hieltest.»
Skeptisch zog Flick eine Augenbraue hoch. «Ach ja? Da bleibe ich doch lieber bei meinen Schleimern. Wenigstens weiß ich dann, woran ich bin. Keine Erwartungen.»
Kapitel 6
Flick war sich allerdings überhaupt nicht so sicher, woran sie war. Sie hörte immer seltener von John, doch sie hatte sich vorgenommen, ihm nicht hinterherzutelefonieren. Sie wollte nicht verzweifelt wirken. Wenn sie sich trafen, schienen sie immer schlechter zueinanderzufinden. Sie konnte ihm ja kaum von Georgies und ihrer neuen Einkommensquelle erzählen, schon gar nicht, weil ihre Aufträge aus
Arrangements
resultierten, die ihrem und Johns nicht unähnlich waren. Welche Rache würde sie sich wohl für Johns Ehefrau ausdenken, wenn sie herausfand, was er tatsächlich in London trieb? Flick konnte nur hoffen, dass keine geschäftstüchtige Frau ähnliche Dienste im Norden anbot. Welch eine Ironie!
Doch John schien sich nicht sonderlich für ihr Leben zu interessieren. Ihre Verabredungen folgten dem immer gleichen Schema. Sie trafen sich auf einen Drink irgendwo im Londoner West End. Manchmal aßen sie gemeinsam zu Abend. Spätestens beim Kaffee legte er ihr die Hand auf den Oberschenkel und hörte während des gesamten Heimwegs in der U-Bahn nicht auf, ihr unanständige Dinge ins Ohr zu flüstern. Sobald sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatten, riss er ihr die Klamotten vom Leib. Später betrachtete Flick ihn, wenn er auf dem Rücken liegend schlief und den Mund dabei leicht geöffnet hatte. Und wie immer fragte sie sich, wer genau der Mann eigentlich war, der da neben ihr lag.
Eines Abends hatte er wieder mal nicht mehr die Mühe eines gemeinsamen Abendessens auf sich genommen und sich gleich um halb zehn mit ihr in einer Cocktailbar verabredet.Jetzt, als er neben ihr schlief, betrachtete sie sein Gesicht im sanften Licht der Nachttischlampe. Flick fühlte sich rastlos und unbehaglich, also schlüpfte sie aus dem Bett und ging barfuß in die Küche, während sie sich ihren Morgenmantel überwarf. Nachdem sie den fast leeren Kühlschrank auf seinen Inhalt überprüft hatte, fand sie ein Glas Guacamole, das noch nicht abgelaufen war, und bestrich ein paar Cracker damit. Sie nahm ihren Snack mit ins Wohnzimmer, wo sie den
Standard
aufschlug, der halb gelesen auf dem Couchtisch lag. Dolce und Gabbana, ihre beiden Katzen, schmiegten sich an sie, und Flick streichelte sie geistesabwesend.
Sie überflog kurz die Kritik zu einem Theaterstück, das sie sich niemals ansehen würde, dann fiel ihr Blick auf Johns Brieftasche, die auf dem Tisch neben ihr lag. Sie knabberte an einem Cracker herum, legte ihn schließlich beiseite, wischte sich die Hände am Morgenmantel ab und griff nach der Brieftasche. Im Innern befanden sich die üblichen Quittungen und ungefähr sechzig Pfund in bar. Flick zog ein paar Kreditkarten hervor: Mr John Hobday. Sie hatte nicht das Gefühl, als würde sie den Mann, dem diese Kredit- und Visitenkarten gehörten, kennen. Sie hatte nichts mit ihm zu tun. Flick schob alles zurück an seinen Platz.
Dann ließ sie die Finger in ein anderes Fach gleiten und fühlte glattes Papier, das sie ebenfalls hervorzog. Es waren Fotos. Drei. Auf dem ersten war ein kleines Mädchen zu sehen, das ein blaues Sweatshirt trug, unter dem der weiße Kragen einer Bluse ordentlich hervorsah. Sie trug das Haar nach hinten gebunden, hatte ein paar Sommersprossen auf der Nase, und ihr breites Grinsen zeigte, dass ihr zwei Schneidezähne fehlten. Das zweite Foto zeigte einen älteren Jungen in Schuluniform und Krawatte. Er war ungefähr zwölf, auch wenn Flick das Alter von Kindern so gut wie nie richtig schätzte, und wirkte streberhaft und ungelenk. Sein Haar war streng glatt gebürstet worden, und er hatte den gleichen ernsten Gesichtsausdruckwie der Mann, der nebenan im Schlafzimmer lag.
Noch bevor sie es hinter den ersten beiden Fotos hervorzog, wusste Flick, wer sie auf dem dritten Bild erwartete. Die Frau, die sie ansah, lächelte breit, und ihr gutgeschnittener, dunkelhaariger Bob wirkte ein wenig vom Wind zerzaust, als sei das Foto am Strand aufgenommen worden. Sie war keine Schönheit, aber sie hatte ein hübsches Lächeln, und ihr Gesicht war offenbar aus einem Foto ausgeschnitten worden, auf dem sie mit anderen abgelichtet worden war.
Was sollten diese Fotos? Trug
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