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Die Rache-Agentur

Die Rache-Agentur

Titel: Die Rache-Agentur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Sanders
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John sie bei sich, wie diese Männer, die Familienfotos auf ihrem Schreibtisch im Büro aufstellten, als liefen sie sonst Gefahr, die Gesichter ihrer Lieben zu vergessen, bis sie abends nach Hause kamen? Oder betrachtete er sie gerne zwischendurch mal, wenn er auf Geschäftsreise war? Viele Männer trugen Fotos ihrer Familie mit sich herum, doch er ging schließlich fremd   … Flick steckte die Bilder zurück in die Brieftasche, klappte sie zu und legte sie langsam auf den Tisch. Sie rieb sich mit den Händen, an denen noch sein Geruch haftete, über das Gesicht, brachte ihren Teller zurück in die Küche, kippte die übrigen Cracker in den Mülleimer und ging zurück ins Schlafzimmer.
    John hatte sich nicht bewegt, und sein langsamer, tiefer Atem wurde bei jedem Ausatmen von einem Schnarchen begleitet. Flick blieb einen Moment lang auf der Bettkante sitzen.
    «John?» Keine Reaktion.
    Sie versuchte es lauter. «John!» Er erwachte, hob den Kopf, blickte sich benommen um und sah sie schließlich an.
    «Was?»
    «Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst.»
    Einen Augenblick lang sagte er nichts. «Wie,
jetzt ?»
    «Ja, wenn du so nett wärst. Ich bin mir sicher, dass du nochein Zimmer in der Travelodge bekommst. Wenn du willst, rufe ich dort an.»
    Er stützte sich auf einem Ellenbogen ab. «Ach, komm schon. Es ist schon spät. Was ist denn auf einmal los?»
    Flick seufzte. «Zwischen uns ist genau gar nichts los, John, und ich komme mir vor wie ein billiges Flittchen. Darauf habe ich keine Lust mehr.» Eine Zeit lang betrachtete er ihr Gesicht.
    «Ich dachte, du bist mit unserem Arrangement einverstanden. Können wir uns nicht morgen früh darüber unterhalten?» Er rieb sich die Augen.
    «Nein.» Flick spürte ihre Entschlossenheit wachsen. «Ich möchte, dass du jetzt gehst. Bitte.»
    Seufzend schwang John die Beine aus dem Bett.
    Als sie sich am nächsten Morgen durch den Straßenverkehr quälte, wusste Flick nicht, ob sie beleidigt sein sollte, weil er sich einfach angezogen und ihre Wohnung verlassen hatte, ohne noch viel zu sagen. Sie hatte den Impuls verspürt, sich zu entschuldigen, aber in letzter Sekunde doch den Mund gehalten. Wozu? Zwei Tage lang hatte sie das merkwürdige Gefühl, dass etwas fehlte. Als sei irgendein gewohntes Möbelstück aus ihrer Wohnung geräumt worden. Doch als sie am Donnerstagmorgen aufwachte, wurde ihr klar, dass es sich um ein Möbelstück gehandelt hatte, auf das sie ohnehin nie besonders Wert gelegt hatte, und sie war froh, es los zu sein.
    «Du machst aber einen fröhlichen Eindruck.» Joanna hob den Kopf, als Flick nach neun Uhr im Büro ankam, nachdem sie auf dem Weg zur Arbeit zwei Wellensittiche und eine Perserkatze in der Wohnung einer Kundin versorgt hatte. «Was ist der Anlass?»
    «Ich bin gerade am Entrümpeln.»
    «Oh, das liebe ich», schwärmte Joanna. «Letztes Wochenende habe ich unsere Garage ausgeräumt. Aber ich hoffe, dass du deinen Abfall recycelst?»
    «Nein, Joanna», erwiderte Flick ernst. «Dieses Stück werde ich bestimmt nicht recyceln. Sag mal, wie sind denn unsere neuen Elektriker bei den Smythes vorangekommen?»
    Inzwischen hatte sich ihre Freude darüber, John abserviert zu haben, in Ärger verwandelt, nachdem sie das Wochenende in Ermangelung besserer Alternativen halb mit ihrer Mutter und halb allein verbracht hatte. Und nachdem sie sich an Joanna ein Beispiel genommen und vier Kisten mit Dingen gefüllt hatte, die sie wegwerfen wollte, war sie nur noch wütend. Nichts in diesen Kartons hatte etwas mit ihm zu tun, als hätte er nie existiert. Sie war so dumm gewesen, so dumm und naiv, sich einem Typen an den Hals zu werfen, der sie nicht respektierte und das Foto seiner Frau in seiner Brieftasche mit sich herumtrug.
    Als sich dann am Montagabend die Tür zur Agentur öffnete und eine kleine Blondine in einer pinkfarbenen Kaschmirstrickjacke und einer schicken grauen Hose erschien, hatte Flick nicht mehr das geringste Mitleid mit dem anderen Geschlecht. Verglichen mit den anderen «Mandantinnen», wie Georgie sie nannte, war diese Frau irgendwie anders. Ihre Haut sah geschmeidig und zart aus, doch sie wirkte dünn und empfindlich. Ihre zierlichen Hände waren fast zu fein für die großen, teuren Ringe, die sie trug. Ihre Augen waren groß und blickten geradezu ängstlich drein, und als sie eintrat, warf sie einen furchtsamen Blick hinter sich, als werde sie verfolgt.
    «Kann ich Ihnen behilflich sein?», fragte Georgie und stand von ihrem

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