Die Rache-Agentur
dass es sichanfühlte, als könne sie sie wie Lebkuchen zerbröseln. Libby sah fast desinteressiert zu ihrem Vater auf, während er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Kinderstirn gab. Sie wechselten ein paar Worte, die Georgie nicht hören konnte, dann wandte er sich ab. Libby hatte kaum von ihrem Film aufgeblickt. Während Ed nach oben verschwand, um seinen Anzug und die handgenähten Schuhe abzustreifen, deckte Georgie sorgsam den Tisch mit Designer-Besteck von David Mellor. Beim Abendessen konnte sie nicht aufhören, ihn anzustarren, als sei sie auf der Suche nach einer Antwort, die alles erklären könnte. Das war der Auftritt ihres Lebens – für sie beide, dachte Georgie ironisch. Nur Libby war ganz sie selbst – ein willkommener Beweis dafür, dass Georgie den Schein erfolgreich gewahrt hatte.
Nachdem Ed das Steak, die Backkartoffel und den Beilagensalat mit seinem Lieblingsdressing in sich hineingeschaufelt hatte, folgte ihre Unterhaltung dem üblichen Muster, das Georgie aufgefallen war. Georgie stellte Libby Fragen zu ihren Hausaufgaben. Libby erzählte ein bisschen. Ab und zu warf Ed einen Kommentar ein, in der Regel ein Scherz, doch er begann sich erst richtig am Gespräch zu beteiligen, wenn Georgie ihn direkt fragte, wie
sein
Tag gewesen war.
Sie betrachtete ihn, ohne ihm zuzuhören, und beobachtete, wie er mit der Gabel gestikulierte. War sie eine so schreckliche Ehefrau gewesen? Hatte sie ihn in die Arme einer anderen getrieben? Ed wischte sich Fett aus dem Mundwinkel und sprach weiter, doch für Georgie war es, als sähe sie einen Stummfilm. Ihr Blick wanderte zu Libby zurück, die das Salatdressing auf ihrem Teller mit einem Stück Brot aufwischte. Sie und Libby. Die ganze Zeit waren sie eine kleine Einheit gewesen, während Ed nur ab und zu auf der Bildfläche erschien. War das das Problem? Hatte sie ihn ausgeschlossen? Vielleicht sollten sie eine gemeinsame Familienunternehmung planen? Das war es – es würde sie zusammenschweißen und ihnerkennen lassen, was er da aufs Spiel setzte. Georgie fühlte einen Kloß aus Selbstmitleid im Hals und ballte die Fäuste unter dem Tisch. Sie hatte ihr Essen, das auf dem Teller kalt geworden war, kaum angerührt.
«Wie läuft dein Projekt in Cardiff?», platzte sie hervor und bemerkte, wie er erst mehrmals blinzelte, bevor er antwortete.
«Ach ja, weißt du. Wir nähern uns dem Ende. Aber in dieser Phase muss man immer einen Haufen Mängel beseitigen.»
«Dann wirst du also wieder hinfahren müssen? Nach Cardiff, meine ich?»
Er lachte herablassend, was ganz schön unpassend war. «Ja, wahrscheinlich. Um ehrlich zu sein, sogar ziemlich sicher. Warum fragst du?»
Georgie blickte ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. «Nur so», antwortete sie. «Einfach nur so. Libby, möchtest du ein paar Trauben?» Und damit wandte sie sich ab.
Später, als sich Libby bereits ins Bett gekuschelt hatte und ein Stapel Bücher auf dem Boden ihres Zimmers als erstes Anzeichen von Rebellion zu verstehen war, räumte Georgie hier und dort auf, um sich nicht zu Ed setzen zu müssen. Er sah sich eine Dokumentation im Fernsehen an und hatte die nackten Füße auf die Ottomane gelegt. Leidenschaftslos beobachtete Georgie ihn von der Türschwelle aus. Sie betrachtete die Szene wie durch eine Kamera. Jetzt, wo er hier saß, könnte sie etwas sagen. Sie könnte damit herausplatzen, und alles würde sich innerhalb einer Sekunde ändern. Doch dazu fehlte ihr der Mut.
«Ed?»
Er warf ihr einen gereizten Blick zu. «Ich will das hier ansehen.»
Nur ein einziger Satz wäre nötig. Georgie hielt inne. «Na gut, also dann gute Nacht. Ich bin ziemlich müde und lege mich hin.»
«Mmm. Nacht.»
Georgie blickte sich noch einmal in der makellos aufgeräumten Küche um. Die Spülmaschine brummte leise hinter ihrer schwarzen Verkleidung. Lautlos ging Georgie nach oben.
Kapitel 12
Georgie drückte eine Kurzwahltaste, wechselte den Gang und hielt sich das Handy ans Ohr. Flick ging sofort ran.
«Hi, Flick, ich bin’s. Hör mal, störe ich?»
«Nein. Alles in Ordnung? Du klingst ein bisschen merkwürdig.»
«Hättest du Zeit, mit mir auszugehen?»
«Äh, ja. Wollen wir uns irgendwo treffen?»
«Na ja, ich biege gerade in deine Straße ein.»
«Oh! Verstehe. Also, ich bin nicht gerade chic angezogen, wenn ich dir einen Drink anbieten kann, während du wartest –»
«Nein, das meine ich nicht mit Ausgehen. Hör zu, ich erkläre es dir, wenn ich bei dir bin.»
Flick stand
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