Die Rache der Engel
Soldaten– unerfahrener und nicht so widerstandsfähig wie die zaristischen Soldaten– konnten diesem rätselhaften Überseedampfer nichts anhaben, der dort mitten im Nichts stakte.
Vielleicht hatte es ja doch mit Gott zu tun.
Danach kam natürlich noch die Sache mit dem Diebstahl.
1956 verschaffte sich ein Doppelagent Zugang zu den Archiven von Genosse Leo Trotzki und stieß auf die Aufnahmen. Es gelang ihm, diese zu entwenden und einen Vertreter der amerikanischen Botschaft in Berlin dafür zu interessieren. Doch am Tag der Übergabe wurden der Agent und sein Kaufinteressent von der Stasi abgefangen und mit Kugeln durchsiebt. Zwei Tage später bewirkten ein skrupelloser Grenzhauptmann sowie eine Million Dollar das Wunder, die Fotos doch noch an ihr Ziel gelangen zu lassen. Das Elias-Projekt hatte sie dadurch zwar erhalten, dabei aber einen seiner fähigsten Spione verloren.
Michael Owen war zu dem Zeitpunkt noch ein kleiner Junge. Das Foto, das ihn am meisten interessierte, war das letzte der ganzen Serie. Es war im oberen Teil des Gebäudes aufgenommen worden, in einem Bereich ohne Schäden, der wie hermetisch versiegelt aussah. Dort konnte man eine dunkel gemaserte Wand erkennen, an die sich ein Mann lehnte, dessen Augenbrauen und Schnauzbart voll Reif waren. Dieser Mann war Russe, das stand fest. Er hatte diesen vom Wodka vernebelten Kosakenblick, der zu besagen schien: » Trau dich nur her, du Mistkerl!« Dies war seit Owens erstem Blick auf die Bilder sein Lieblingsfoto. Und das hatte seinen Grund: Einer der behandschuhten Zeigefinger des Soldaten zeigte auf Markierungen in der Wand. Sie hatten Ähnlichkeit mit in Stein geritzten Initialen. Man konnte zwar nur vier davon erkennen, doch das Foto legte die Vermutung nahe, dass es noch weitere gab.
Darunter fiel eine Art Figur auf, die Michael Owen sehr wohl kannte. Im 16 . Jahrhundert hatte jemand dieses Zeichen als die » Monas Hieroglyphica« bezeichnet.
Ebendiese Zeichen hatte Owen schon vor Zeiten dem besten Analysten des Projekts zur Entzifferung anvertraut: William L. Faber. Dieser hatte erklärt, dass sie zu einem merkwürdigen Alphabet gehörten, das in der Renaissance als » Henochisch« bezeichnet wurde und das zur Zeit von Elisabeth I. von England einem sehr engen Zirkel von Männern mit medialen Fähigkeiten vollständig übermittelt worden war. Fabers Arbeitshypothese lautete, dass die Person, der es gelang, diese Buchstaben korrekt auszusprechen– und dafür blieb einem keine andere Wahl als Henochisch zu lernen–, die Adamanten aktivieren und ihren Sendemechanismus beherrschen könnte.
Alles wies darauf hin, dass Faber kurz davor stand, dies zu schaffen– aber auch er war leider mit unbekanntem Ziel verschwunden.
Er wurde in der Türkei vermutet.
Wahrscheinlich suchte er dort nach seinem Sohn.
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Es war nur eine Ahnung.
Zwischen Coca-Cola-Dosen und Bechern mit eingetrockneten Kaffeeresten begraben, erkannte Andrew Bollinger plötzlich, von welcher Seite er das Problem anpacken musste, vor das ihn sein alter Freund Roger Castle gestellt hatte. Er hatte die Mail aus dem Weißen Haus mit den Daten der beiden Signale ausgedruckt, die in Spanien und in der Türkei entdeckt worden waren, aber bis jetzt hatten sie ihm nichts gesagt. Überhaupt nichts.
Doch binnen einer Sekunde sah alles anders aus. Wieso war er nicht schon längst darauf gekommen? In Wirklichkeit hatte er es nicht mit identischen Strahlungen zu tun. Nein, das erste Signal wurde nicht von einem festen Punkt aus gesendet, das zweite jedoch schon. Zudem schien sich das erste Signal wie ein Pfeil auf das zweite Signal zuzubewegen. Selbstverständlich ging es nicht darum, in diesen elektromagnetischen Spuren eine extraterrestrische Botschaft zu ermitteln, sondern darum herauszufinden, wohin die beiden Signale gerichtet waren. Ihr Ziel schien jedenfalls keineswegs ein entfernter Planet zu sein.
Und genau das brachte ihn auf eine Idee.
Andrew Bollinger rief sofort von seinem Büro im Operationszentrum des VLA den für die Radioteleskope zuständigen Ingenieur an und bat ihn, diese ausnahmslos auf ein bestimmtes Segment im All zu konzentrieren. Vielleicht für eine halbe, höchstens eine ganze Stunde. Er müsste alle elektromagnetischen Signale mit einer gewissen Intensität isolieren, die zu diesem Zeitpunkt mit einer Frequenz von 1420 Megahertz und einer Wellenlänge von 21 Zentimetern die Ionosphäre durchdrangen.
» Fangen wir an, indem wir…«– Bollinger warf einen
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