Die Rache der Engel
jedoch ebenso verlassen wirkten. Das größte Haus, ein zweistöckiger Bau mit Satteldach, hatte zudem ein kleines Minarett. Davor erstreckte sich ein Hof, der wohl auch als Parkplatz diente, und gegenüber befand sich ein weiterer Bau– die auf den Satellitenaufnahmen gepixelte Stelle–, der stattlich emporragte und einen ziemlich ungewöhnlichen Anblick bot.
Große Stahlplatten bedeckten mehr oder weniger eine Art Turm, der aus einem Stück gebaut war. Ich konnte ihn auf die Entfernung nicht so gut erkennen, aber er sah wie ein riesiger Stoßzahn aus, den man in den Boden gerammt hatte und dessen Struktur größtenteils unter der Erde lag. Der Bau hatte weder Fenster, Zierrat oder andere überflüssige Elemente. Einerseits vermittelte er den Eindruck, uralt zu sein, andererseits hatte er einen avantgardistischen Touch.
» Los!«, trieb mich Dujok an, als er sah, dass ich zögerte.
» Was ist das denn?«, entgegnete ich.
» Eine Antenne.«
» Wirklich?«
» Eine Antenne für hochfrequente Signale, Mrs Faber. Gehen Sie weiter, bitte!«
» Aber das sieht sehr alt aus«, wandte ich ein.
» Das ist es ja auch!«
Wir gingen zu dem Haupteingang des größten Gebäudes. Dort angekommen warteten wir auf ein Zeichen Artemi Dujoks. Das Tor, eine wuchtige, mit Nägeln und Eisen verstärkte Holzplatte, stand weit offen. Ellen Watson, die wie ich unbewaffnet war, protestierte.
» Aber wir können da doch nicht einfach so hineingehen!«
» Allerdings. Und Sie beide gehen sogar zuerst hinein«, erwiderte Dujok barsch.
» Wir beide?«
» Das scheint mir keine besonders gute Idee zu sein…«
» Das ist keine Idee«, brummte Dujok. » Das ist ein Befehl.«
Bei diesen Worten riss er seine Uzi hoch und drückte sie gegen meinen Unterleib.
86
Nicht einmal Dante hätte sich ein schlimmeres Inferno ausmalen können.
Eine 100 000 Kilometer lange, 5000 Grad heiße Plasmaflamme expandierte erhaben über der Sonnenoberfläche. Die beiden STEREO -Raumsonden, die die NASA in den heliozentrischen Orbit geschickt hatte, um alle Veränderungen auf der Sonne zu beobachten, und deren Namen STEREO A ( » Ahead«) beziehungsweise STEREO B ( » Behind«) ihre Positionen angaben, entdeckten die Anomalie zuerst. Beide Sonden funktionierten wie ein riesiges Augenpaar und übermittelten dreidimensionale Aufnahmen von allem, was auf der Sonnenoberfläche geschah. Doch da sie nicht so ausgerichtet waren, dass sie Signale auffangen konnten, die zur Sonne geschickt wurden– Wer sollte schon so etwas tun?–, erfassten sie folglich nicht das gewaltige Magnetbündel, das kurz zuvor in der Nähe von Sonnenfleck 13 057 eingeschlagen war.
Bis dahin war dessen Penumbra nicht einmal so groß wie die Erde gewesen. Doch nun wurde sein starkes Magnetfeld gestört und begann sich zu verändern, indem es die Flecken 12 966 und 13 102 absorbierte. Ganz automatisch, ohne jegliche Intervention seitens der Techniker vom Goddard Space Flight Center in Maryland, begannen die STEREO -Sonden, die Bewegungen des Sonnenplasmas aufzuzeichnen und erste Daten an ihre Basisstationen zu übermitteln. Dem 2 Millionen Dollar teuren Prozessor genügten wenige Sekunden, um Sonnenfleck 13 057 als Ausgangspunkt der Explosionen auszumachen. Sein eiförmiger Umriss war auf ihren UV -Messgeräten verschwunden und zeigte an seiner Stelle jetzt dieses sengende Ungetüm, das mit fast 300 Kilometern pro Sekunde auf der unebenen Oberfläche der Sonne dahinraste.
Doch was dann folgte, überbot alles, was man bisher an Sonnenaktivität beobachtet hatte.
Die Plasmawelle stieß auf die Photosphäre, so ähnlich wie ein Stein, der in einen stillen See fällt. Nur war in diesem Fall der Durchmesser der konzentrischen Wellen, die sie auslöste, größer als eine Million Kilometer. Ein magnetischer gashaltiger Giga-Tsunami mit einer unvorstellbaren Temperatur wurde ausgelöst, der alles, was auf seinem Weg lag, mitriss. Anschließend überrollte den Stern ein dumpfes Brummen, bevor, wie bei einem Dominospiel mit herkulischen Dimensionen, das nächste Teil in Gang gesetzt wurde. Die gashaltigen Einschläge trafen auf Quintillionen hochenergetischer Teilchen, vor allem Protonen, die sich beschleunigten und jenseits der Heliosphäre verschwanden. Und dann kam es zu dem heftigsten radioaktiven Treiben, das die STEREO -Sonden je detektiert hatten.
Womit das Projekt Solar Terrestrial Relations Observatory der NASA endgültig in die Geschichte eingehen sollte.
Doch die UV -Kameras von
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