Die Rache der Engel
dieses Geheimprogramm wissen.«
» Nun gut«, stimmte Dujok zu. » Sie haben es sich verdient. Wir haben noch einige Stunden Flugzeit vor uns. Ich sehe keinen Grund, mit Ihnen nicht alles zu teilen, was ich weiß.«
Ellen schien zu spüren, dass ihre Chance gekommen war.
» Sehen Sie, Ms Watson, soweit ich weiß, ist das Elias-Projekt eine alte Initiative seitens der Geheimdienste Ihres Landes. Vielleicht ist es sogar eine der ältesten, jedenfalls betrifft es die kollektive Sicherheit Ihrer Nation. Selbstverständlich hat es dabei in den letzten Jahrzehnten aktivere Phasen gegeben. Wir Yeziden wissen seit langer Zeit davon. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, verdanken wir das Mrs Fabers Schwiegervater, den Warnungen der Russen und auch den alten Fotografien vom Ararat. Sie wurden kurz nach dem Ausbruch der bolschewistischen Revolution in Moskau aufgenommen, und zwar bei einer Expedition, für die man auch Träger yezidischen Glaubens engagiert hatte. Seither hat niemand, der sie gesehen hat, lange genug gelebt, um davon zu erzählen. Aber sie enthalten die letzte Wahrheit dessen, was dieses Projekt verfolgt…«
83
Das erste Dokument war eine alte Fotografie. Fast eine Antiquität. Michael Owen nahm sie aus dem Briefumschlag und strich zärtlich und ehrfürchtig darüber. Er wusste, dass die Aufnahme 1917 von Soldaten von Zar Nikolaus II . an einem unbekannten Ort an der türkisch-russischen Grenze gemacht worden war. Sie zeigte eine Gruppe Männer. Sie waren dreckig und wirkten erschöpft. In ihren dünnen Stoffuniformen sahen sie zudem fast erfroren aus und hatten sich offensichtlich mehrere Tage nicht rasiert. Drei von ihnen posierten unerschütterlich vor etwas, was wie ein eingestürztes Haus aussah, das gerade von einer Lawine begraben worden war. Vielleicht war es auch durch ein Erdbeben zerstört worden. Doch der Eindruck konnte nicht trügerischer sein.
Owen wusste, was für Anstrengungen es gekostet hatte, diese Aufnahme in die Bestände seines Archivs aufnehmen zu können. Die Geheimdienste hatten dafür einen beträchtlichen Blutzoll entrichten müssen. Wenn man die Aufnahme genauer betrachtete und es einem gelang, über ihren schlechten Zustand hinwegzusehen, konnte einem das Gebäude, das hinter den Soldaten zu erkennen war, ziemlich merkwürdig vorkommen: seltsamerweise konnte man hinter der teilweise eingestürzten Fassade keine Gegenstände erkennen, die für ein Wohnhaus typisch waren. Dort gab es weder Möbel noch Kleider, aber auch keine Balken oder Ziegel. Es gab nur leere Räume, die dicht nebeneinander lagen und sich in einer schier endlosen Folge in der Tiefe verloren.
Beim Vergleich mit den anderen Aufnahmen des Dossiers ließ sich das Rätsel lösen. Ein zweites Foto, das aus etwa 300 Metern Entfernung aufgenommen worden war, schien den Schlüssel zu enthalten. Das Gebäude war in Wirklichkeit nur der sichtbare Teil einer wesentlich größeren, länglichen Konstruktion, eingeschlossen in einen Gletscher, der diese zu irgendeinem Zeitpunkt in zwei Teile gerissen und dabei ihr Innenleben freigelegt hatte. Auf der Rückseite konnte man auf Russisch, in sorgfältig geschriebenen kyrillischen Buchstaben den Vermerk lesen:
Romanow-Expedition, 1917, Arche Noah
Jahrelang hatten Spezialisten über diese merkwürdigen Aufnahmen spekuliert. Alle Bücher über die Arche verwiesen darauf, ohne sie jedoch zu reproduzieren. Sie sprachen stets von einer Erkundungsmission an der türkischen Grenze im Auftrag von Zar Nikolaus II . kurz vor den Aufständen, die ihn und seine Familie das Leben kosteten, veröffentlichten aber keine Beweise. Diese waren jedoch in dem Dossier enthalten. Sie erzählten die Geschichte der Soldaten, Ingenieure, Fotografen und Zeichner, die das Pech hatten, den Feinden des Zaren in die Hände zu fallen, als sie den Berg hinabgestiegen waren, woraufhin sie des Hochverrats angeklagt wurden. Die meisten wurden in der Nähe von Jerewan erschossen und die wenigen Männer, denen damals die Flucht gelang, sprachen nie über das, was sie seinerzeit auf dem Gipfel gesehen hatten. Für ein atheistisches Regime war das Auftauchen einer biblischen Reliquie jedenfalls pures Dynamit. Der » Vater der Revolution« höchstpersönlich versteckte die Aufnahmen zwischen seinen Papieren und widerstand, zerrissen von Faszination und Abneigung, der Versuchung, sie zu zerstören. Gleichzeitig schickte er offenbar mehrere Pioniertrupps los, die die Arche in die Luft sprengen sollten. Doch diese
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