Die Rache der Engel
Ehrlich gesagt, wir wissen nicht viel. Nur, dass die halbe Welt hinter ihnen her ist.«
» Ach so?«
» Die USA ermitteln in dem Fall.«
» Ja, logisch…«, meinte Fornés, während er die letzte Tür öffnete, die eine großartige Darstellung des heiligen Jakobus als Maurentöter zierte, der bei der Schlacht von Clavijo Schwerthiebe austeilt. » Martin Faber ist schließlich Amerikaner.«
Don Benigno ertastete indessen den Lichtschalter des Raumes und schleppte sich hinter einen massiven Eichentisch, an dem er Platz nahm.
» Mehr nicht? Sie können mir sonst nichts über die Restauratorin und ihren Mann sagen?«
Zum ersten Mal fühlte sich Figueiras eingeschüchtert. Der Dekan hatte seine Hände offen auf den Tisch gelegt, so als erwartete er, dass ihm der Polizist etwas überreichte.
» Ehrlich gesagt, schon«, gab er zu. » Anscheinend ist das Paar wegen ein paar Steinen verschwunden. Es geht nicht um Edelsteine oder um Schmuck, aber sie scheinen dennoch einen gewissen Wert zu besitzen. Außerdem besteht irgendeine Verbindung zu einem anderen Symbol.«
» Was für ein Symbol, Inspector Figueiras?«
» Hm. Sie sind doch Experte für so etwas«, begann der Polizist. » Vielleicht könnten Sie mir sagen, wo ich weitersuchen soll, wenn Sie einen Blick darauf werfen.«
» Kann ich es sehen?«
» Natürlich.«
Figueiras wühlte in seinem Trenchcoat. Schließlich zog er aus einer der Taschen seinen Notizblock, schlug die Zeichnung auf, die er im Haus des Juweliers angefertigt hatte, und reichte sie dem Dekan. Es war eine Art Strichmännchen mit einem Halbmond als Hörnern sowie mit Füßen in Form einer liegenden Drei.
» Wissen Sie, was das bedeuten könnte, Padre Fornés?«
Der Dekan nahm den Block an sich und betrachtete ausgiebig die Seite.
» Hm. Das sieht wie eine Steinritzung aus, solche Zeichen finden sich sonst auf Steintafeln«, flüsterte er, während sein Blick weiterhin neugierig die Zeichnung erkundete.
» Eine Steinritzung, ach so…«
Im Kommentar des Polizisten schwang Enttäuschung mit, was Fornés entging.
» Steinritzungen sind uralte Markierungen, deren Ursprung unbekannt ist, Señor Figueiras«, führte der Dekan aus. » Aber sie sind bestimmt prähistorisch und können zwischen viertausend und zehntausend Jahre alt sein. Galicien ist voll davon. Vielleicht ist Galicien sogar die Region in Europa mit den meisten Steinritzungen. Markierungen auf Felsen mitten in der Natur werden übrigens Petroglyphen genannt, aber auf Steinplatten in Kirchen sind es Steinmetzzeichen. Die berühmtesten Steinmetzzeichen gibt es übrigens in Noia. Kennen Sie die?«
» Noia?« Dem Dekan entging Figueiras’ Erstaunen nicht.
» Die Sammlung mittelalterlicher Steinplatten mit Inschriften in Noia ist die bedeutendste der Welt. Viele der Steine dort weisen solche Zeichen auf. Kommen Sie doch näher. Ich zeige es Ihnen.«
Fornés beugte sich zu einem Bücherschrank, der mit zwei Holztüren verschlossen war. Mit einem kleinen Schlüssel aus dem Bund, den er am Gürtel trug, öffnete er die Schranktür. Gleich darauf landete ein großformatiger Band mit alten Stichen auf seinem Tisch.
» Zwar weiß niemand genau, ob das Buchstaben sind oder Ideogramme oder irgendwelche abstrahierten Darstellungen, aber es ist schon symptomatisch, dass solche Zeichen niemals auf profanen Gebäuden auftauchen«, erläuterte er, während er in dem Band blätterte. » Das beweist, dass es sich um heilige Symbole handelt, wenn auch die Kirche Santa María in Noia alles übertrifft, glauben Sie mir. Sehen Sie.«
In dem Band, den der Dekan aus dem Regal genommen hatte, zeigten schon die ersten Seiten zahlreiche merkwürdige Zeichnungen. Sie sahen wie Strichmännchen aus, die aus plumpen Kreuzen und Kreisen bestanden– genauso wie Dees Monas Hieroglyphica . Der Inspektor betrachtete sie genau, er war sich sicher, dass das etwas zu bedeuten hatte, auch wenn er es nicht entschlüsseln konnte.
» Weiß man denn, wozu diese Zeichnungen gedient haben?«, flüsterte er, in die Betrachtung vertieft, während er die Seiten durchblätterte, die viele ähnliche Strichfiguren zeigten.
» Nein. Niemand hat bislang eine überzeugende Erklärung gefunden, Señor Figueiras. Jeder Historiker vertritt seine Theorie, und ich habe natürlich meine eigene Meinung dazu.«
» Wirklich? Welches ist denn Ihre Theorie?«
» Ich denke, diese etwas komplexeren Zeichen hier, wie dieser Kreis mit dem Punkt in der Mitte, der öfters wiederholt wird,
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