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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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für eine Form dieser Bereich des Gipfels hat? Der obere Teil ähnelt dem Dach eines Gebäudes…«
    » Was wollen Sie damit sagen, Colonel?«
    » Das hier ist womöglich die Arche. Auf den nicht freigegebenen Fotos, die wir bei Elias haben, kann man etwas Ähnliches erkennen. Eine geometrische Form innerhalb einer Eismasse, die höchstens in heißen Sommern herausragt. Es ist naheliegend«, meinte er noch, » dass man in den Gletscher hineingehen muss, um zu der Konstruktion zu gelangen.«
    » Zu Noahs Arche? Sie glauben, dass sie zur Arche Noah unterwegs sind?«
    » Das ist das Einzige, was einen Sinn ergibt.« Nick Allen zuckte mit den Schultern und reichte Jenkins das Fernglas. » Was sollten sie sonst dort suchen?«
    Jenkins führte das Fernglas vors Gesicht und fokussierte es optimal.
    » Das verdammte Schiff scheint eine richtige Attraktion zu sein, inzwischen sind schon alle im Gletscher verschwunden.«
    » Perfekt. Dann ist wohl der Zeitpunkt gekommen, Position zu beziehen. Kommen Sie mit?«

93
    Mit bangem Herzen näherte ich mich der Spalte, während ich immer wieder kleine, dichte Wolken ausatmete. Es musste inzwischen fast Mittag sein, denn mein Magen knurrte.
    Erst als ich nur wenige Zentimeter vor ihr stand, begriff ich ihre Funktion. Der Spalt war breit genug, um unter den Eiszapfen einer großen erwachsenen Person Platz zu bieten, also glitt ich hinter Dujok hinein. Dabei achtete ich darauf, keinen der Eiszapfen zu berühren, und stieß die Steigeisen kräftig in den gefrorenen Boden, um das Gleichgewicht zu halten.
    Zuerst war ich überrascht davon, dass in einem so engen Raum überhaupt Helligkeit herrschte. Die Erklärung kam sofort. Dieser Spalt, der zum Kern des Gletschers führte, war am Schmelzen, und das Eis besaß eine so feine Struktur, dass es die Sonnenstrahlen wie der Diffusor bei einem Blitzgerät streute. Dennoch, auch diese gleißende Lichtfülle konnte aus meinem Kopf nicht die Überzeugung bannen, dass ich mich an einem gefährlichen Ort aufhielt. Die Wände waren brüchig. Und das war kein gutes Zeichen. Das war nicht das feste Eis, das es im Inneren einer jahrtausendealten Eiszunge geben sollte. Ich bewegte mich schneller. Von den Stimmen angezogen, die aus der Tiefe des Berges drangen, ging ich weiter.
    Am Ende des Tunnels erwarteten mich drei Gestalten. Die erste war Artemi Dujok, der seinen Rucksack abgelegt hatte und mir nun die Arme entgegenstreckte, um mir dabei zu helfen, eine hohe Stufe zu überwinden. Die anderen beiden konnte ich hingegen nicht erkennen.
    » Meine Liebe!«, überfiel mich plötzlich die zweite Gestalt. Sie richtete eine Taschenlampe auf mich, sodass ich gezwungen war, die Augen zusammenzukneifen. » Wie lange habe ich dich nicht gesehen!«
    Mein Herz tat einen Satz. Ich benötigte zwar etwas Zeit, dieser Stimme ein Gesicht zuzuordnen, doch den Akzent hätte ich unter einer Million Stimmen wiedererkannt. Wieso war ich nicht schon längst auf die Idee gekommen, dass Sheila Graham in der Nähe sein musste, wenn Daniel beim Hallaç-Krater auftauchte?
    » Sheila!«
    » Aber natürlich, junge Frau. Wer denn sonst?«, lachte sie mir entgegen, während sie die Taschenlampe senkte.
    Die alte » Gralshüterin« sah großartig aus. Zwar war die Hälfte ihrer Mähne unter einer dicken Wollmütze verschwunden, doch ihre ewige Eitelkeit zeigte sich in ihren perfekt geschminkten karminroten Lippen und in ihren frisch getuschten Wimpern. Es machte den Eindruck, als würde die Kälte ihre Attraktivität noch betonen.
    » Meine Liebe, ich gehe davon aus«, sagte sie, nachdem sie mir ein paar Küsse verpasst hatte, » dass du William noch nicht kennst, oder?«
    Da trat die andere Gestalt einen Schritt vor. Sie stützte sich auf einen Stab und hinkte, richtete sich dann aber zu einer Geste auf, die ich als galant auffasste. Ihr Gesicht war schneeweiß, der Vollbart sorgfältig gestutzt und die Wangen wirkten sehr knochig. Nein. Diesen Mann hatte ich noch nie gesehen. Doch als sich unsere Blicke trafen, begrüßte mich der Mann, als würde mein Gesicht gute Erinnerungen in ihm wecken.
    » Du siehst großartig aus, Julia«, flüsterte er.
    Ich war beeindruckt, auf dieser Höhe einen etwa 80 -jährigen Mann anzutreffen. Der Ararat ist zwar gewiss kein Berg, den nur erfahrene Alpinisten erklimmen können, trotzdem schien er mir nicht gerade das passende Ausflugsziel für einen Menschen in diesem Alter. Der Mann hingegen schien sich keineswegs fehl am Platz zu fühlen. Ganz im

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