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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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übermitteln. Es gibt keine unverfälschtere Möglichkeit, um solche Informationen direkt aus dem Inneren zu erhalten. Die akustischen Schwingungen, die wir aus deiner Gehirntätigkeit ableiten, öffnen dann die ›Himmelsleiter‹.«
    » Und wieso meinst du, dass es funktionieren wird, Daniel?«
    » Ach…«, erwiderte der Riese lächelnd. » Das ist etwas, was in den Genen der Menschen liegt. Bevor er euch aus dem Paradies vertrieb, hat Gott euch die perfekte Sprache beigebracht. Und diese Sprache habt ihr beherrscht, bis es zur Verwirrung von Babel kam, als der Allerhöchste diese Ursprache in euren Köpfen zum Verstummen brachte. Wir Engel haben sie niemals gelernt, denn als wir noch rein waren, brauchten wir nicht zu kommunizieren. Insofern besteht unsere einzige Möglichkeit, um einen Sender aus alten Zeiten zu aktivieren und unseren Herkunftsort anzurufen, darin, diese Phoneme bei jemandem zu finden, der deine Gaben besitzt.«
    » Aber wie soll ich denn anfangen?«, fragte Julia verzweifelt.
    » Atme tief ein und aus. Beruhige dich. Suche dein inneres Gleichgewicht. Und erinnere dich an das, was du mit deiner Gabe bewirken kannst.«

97
    ›Erinnere dich an das, was du mit deiner Gabe bewirken kannst.‹
    Der Klang dieses Satzes berührte mich seltsam. An eine Liege festgebunden und fast hochkant gestellt, spürte ich einerseits eine Gänsehaut, während zugleich ein angenehmes Kribbeln über meinen Rücken lief. Angesichts der widrigen Umstände war diese Reaktion eher ungewöhnlich. Aus irgendeinem Grund konnte ich nicht verhindern, dass meine Muskeln sich lockerten und die ganze Anspannung, die sich nach der am Hallaç-Krater verbrachten schlechten Nacht, dem morgendlichen Aufstieg zum Ararat und meiner Wiederbegegnung mit Martin aufgestaut hatte, von mir wich.
    Ich begann tatsächlich, mich behaglich zu fühlen. Und ruhig. Martins Nähe flößte mir trotz allem Vertrauen ein. In dieses Endorphinbad getaucht, erkannte ich ein fernes, vertrautes und stärkendes Wohlgefühl wieder, wie ich es seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt hatte. Und so, ganz natürlich und ohne jeden Schrecken, entdeckte ich etwas Wesentliches: Diese Reaktion wurde ausgelöst, sobald ich die Steine in die Hände nahm. Sie allein, und nicht eine Droge oder irgendeine hypnotische Reaktion, hatten meine Beruhigung herbeigeführt.
    Wenn ich in meinem bisherigen Leben etwas über die Welt der Psyche gelernt hatte, dann, dass nichts geschieht, wenn wir nicht zuvor unsere Einwilligung dafür geben. Eine freiwillig erteilte Zustimmung, die dazu führt, dass » das Unsichtbare« bald darauf mit großer Kraft in unser Leben tritt. Als Martin mich also darum bat, mich daran zu erinnern, was ich mit meiner Gabe bewirken konnte, und sie mit seinen Leuten zu teilen, und ich mich dem nicht verweigerte, erteilte ich ihm dadurch geradezu eine Blankovollmacht über mich. Er wusste das und legte mir folglich vertrauensvoll einen Adamanten in jede Hand und forderte mich auf, sie zu aktivieren.
    Ich hätte auch widerspenstig die Fäuste ballen können, aber ich öffnete meine Hände bereitwillig.
    Ich hätte die Steine auf den Boden fallen lassen können. Doch ich tat es nicht.
    » Lass dich von ihnen führen«, flüsterte Martin mir ins Ohr. » Zwinge sie zu nichts, Chérie. Sieh zu dem heiligen Tisch. Amrak kennst du ja bereits. Achte auf die Zeichen darauf und erforsche auch genau die Zeichen vor dir, an der Arche. In deinem Inneren liegt der richtige Ton für ihre Anrufung verborgen. Kombiniere sie. Stelle sie dir optisch vor. Spiele mit ihnen … Zusammen werden sie den vollkommenen Klang ergeben, damit dieser Ort wie vor neuntausend Jahren widerhallt und erneut mit dem Schöpfer in Verbindung treten kann. Du besitzt diese Gabe.«
    » Ich weiß nicht, ob es funktionieren wird.« Meine Lippen sprachen dies aus, ohne dass ich mich wirklich widersetzte. » Es ist schon so lange her, dass ich…«
    » Es wird funktionieren«, unterbrach er mich sanft. » Vertraue uns.«
    Ich weiß, dass ich mich in diesem Augenblick hingab. Ich drückte die Adamanten und schloss die Augen noch fester.
    Anfangs spürte ich nichts Besonderes. Sie fühlten sich glatt und lauwarm an, was mich nicht weiter beeindruckte. Nur einen Moment zuvor, während ich mir die in die Wand vor mir gemeißelten Zeichen einprägte, hatte ich in ihrer Maserung einen leichten Schimmer zu erkennen geglaubt, ein blasses Licht, kaum ein Abglanz, ähnlich wie an meinem Hochzeitstag. Also dachte ich,

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