Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
Vom Netzwerk:
was mit der Schießerei am Abend im Zusammenhang stand.
    » Natürlich…«, stimmte der Bischof verwirrt zu. » Aber, Padre Fornés, konnten Sie nicht bis zum Frühstück warten, um mit mir über Legenden zu diskutieren?«
    ›Legenden?‹ Fornés verzog das Gesicht.
    » Leider nicht, Eure Exzellenz«, erwiderte er. » Sie sind erst seit drei Jahren hier, ich dagegen schon vierzig Jahre. Ich muss Ihnen etwas zeigen, und zwar sofort. Es ist nicht zufälligerweise zu dem Ereignis in unserer Kathedrale gekommen. Denn jetzt weiß ich…«
    Neugierig geworden, folgte der Erzbischof dem aufgeregten Alten zum Gotteshaus. Sie nahmen den Weg, den Pater Fornés in dieser Nacht bereits zwei Mal zurückgelegt hatte, und begaben sich direkt zu dem abgesperrten Bereich bei der Puerta de Platerías. Als sie den Hauptaltar und die Vierung passiert hatten, beschleunigte der Dekan seine Schritte bis zu der Stelle, die er dem Bischof zeigen wollte.
    » Eure Exzellenz, vor vierzig Jahren hat mir mein Vorgänger im Amt eine merkwürdige Geschichte erzählt«, begann Pater Fornés. » Er hat mir erklärt, dass dieser Ort über fünfhundert Jahre lang das am weitesten im Westen liegende Heiligtum der Christenheit war, und deshalb galt es als so etwas wie die Kirche am Ende der Welt.«
    Erzbischof Martos sagte nichts. Aber er hörte offensichtlich aufmerksam zu. Fornés fuhr fort:
    » Im 12 . Jahrhundert war die Kurie so davon überzeugt, dass Compostela der erste Ort sein würde, von dem aus man die Ankunft des Himmelreichs sehen könnte, dass man heimlich beschloss, sie mit einer Symbolik auszuschmücken, die dieser Aufgabe entsprach. Man entfernte allen Zierrat und ersetzte ihn durch Skulpturen und Bildnisse, die zu ihrer apokalyptischen Bestimmung passten. Insofern, Eure Exzellenz, verkörpert unser Pórtico de la Gloria die Quintessenz dieses Projektes. Wie Sie wissen, verkünden seine Darstellungen die Ankunft des Neuen Jerusalem, der himmlischen Stadt, die der Welt ihre neue Ordnung bringen wird.«
    » Ja, und?«
    » Man hat geglaubt, Eure Exzellenz, dass hier der Zeitpunkt bekannt gegeben wird, an dem die sieben Siegel geöffnet werden, die das geheimnisvolle Buch verschließen, von dem die Apokalypse des Johannes spricht. Eine Buchrolle, in der die Anweisungen aufbewahrt werden, um die Hierarchien der Engel zu empfangen, die uns ins Himmelreich führen werden, wenn das Ende der Zeiten gekommen ist. Selbstverständlich, Eure Exzellenz, müssen die Siegel erst gefunden werden.«
    Erzbischof Martos blinzelte ungläubig.
    » Sie glauben, dies ist eines der Siegel, Padre Fornés?«
    » Sehen Sie, es geht nicht darum, ob man das glaubt oder nicht. Tatsache ist, dass es soeben in Ihrer Kathedrale aufgetaucht ist. Das möchte ich Ihnen zeigen…«
    » Padre Fornés, ich…«
    » Bitte sagen Sie nichts. Sehen Sie es sich einfach an. Es ist das Zeichen hier vor Ihnen.«
    Juan Martos beugte sich zu der Stelle in der Mauer, auf die sein Dekan zeigte, allerdings ohne auch nur ein Wort von dem Ganzen zu glauben. Er stellte fest, dass sich dort tatsächlich etwas befand, eine Kerbe– ob sie eingeritzt oder eingebrannt war, vermochte er nicht zu sagen–, die sich durch eine Präzision auszeichnete, die kein mittelalterliches Steinmetzzeichen je erreicht hatte. Dieses Zeichen zeigte so etwas wie ein umgekehrtes » L« in der Größe einer DIN -A 4 -Seite. Der Erzbischof fuhr aufmerksam mit den Fingerkuppen darüber. Doch so sehr der Dekan auch insistierte, Erzbischof Martos weigerte sich, das Zeichen zu deuten. Stattdessen fragte er sich, zu welchem Alphabet es gehörte.
    » Ist das ein keltisches Schriftzeichen?«, versuchte er es aufs Geratewohl.
    » Nein, und auch kein hebräisches, Eure Exzellenz«, kam ihm Fornés zuvor. » Es ist kein menschlicher Buchstabe.«
    » Wissen Sie, was es ist?«
    Der Dekan versuchte einer eindeutigen Antwort auszuweichen:
    » Ich wette, der Mann, der in der Nacht in der Kathedrale angeschossen wurde, könnte Ihnen diese Frage beantworten. Die Polizei sagt, eine der Restauratorinnen habe den Mann dabei überrascht, wie er an dieser Stelle kniete, als würde er beten oder etwas an der Wand suchen.«
    » Das hier?«
    Der Dekan nickte mit ernster Miene.
    » Wissen Sie, was ich glaube, Eure Exzellenz? Ich denke, jemand hat sich vorgenommen, die Siegel zu öffnen, von denen in der Apokalypse die Rede ist, und das erste davon hat er in unserer Kathedrale entdeckt. Deshalb muss dieser Mann schnellstens gefasst und zu

Weitere Kostenlose Bücher