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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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Henoch sowie mit gewissen Steinen, die er von dieser Reise in den Himmel mitgebracht hatte. Dabei haben wir herausgefunden, dass seine Geschichte der eines anderen Helden entspricht, der in der Wiege der ersten großen Zivilisation der Geschichte geboren wurde, die es nach der Sintflut gegeben hat: im Lande Sumer. Dort hat der Mensch das Rad erfunden, die Schrift, die Gesetze, die Astronomie und die Mathematik. Dort wurde zum ersten Mal von Engeln gesprochen. Und sie wurden mit Flügeln dargestellt, aber nur als Symbol für ihre himmlische Herkunft. Man warf ihnen allerdings vor, dem Menschen das meistbegehrte Gut zu verweigern: die Gabe der Unsterblichkeit. Dieser Held, für dessen wirkliche Existenz mehr Spuren zeugen als im Fall von Henoch, war ein König namens Gilgamesch. Und genau wie der Patriarch der hebräischen Tradition konnte auch er von Angesicht zu Angesicht mit den Göttern in Verbindung treten und seinen Fuß ins Himmelreich setzen, ohne den schmerzhaften Weg des Todes gegangen zu sein.
    Bitte gestattet mir, dass ich euch seine Reise so zusammenfasse, wie sie im Gilgamesch-Epos auf uralten Tontafeln in Keilschrift überliefert ist.
    Alles geschah vor fast fünftausend Jahren, in der Zeit nach der weltweiten Sintflut.
    Gilgamesch– was so viel bedeutet wie ›der die Tiefe gesehen hat‹– war soeben zum König von Uruk gekrönt worden. Seine Stadt war gigantisch. Sie lag am Ostufer des Euphrat. 1844 wurden ihre Ruinen etwa zweihundert Kilometer südöstlich von Bagdad, im heutigen Irak, entdeckt. Das beweist, dass es diesen König tatsächlich gegeben hat. Heute wissen wir, dass Gilgamesch nicht nur ein großer Krieger, sondern auch ein kluger Philosoph gewesen ist. Er musste seine Eltern und einige seiner Freunde sterben sehen und begriff, dass die Zerstörungen durch das Verstreichen der Zeit noch gnadenloser waren als durch Krieg. Alle, ob arme oder reiche Leute, ob Soldat oder Bauer, landeten schließlich im Grab. Auch Gilgamesch selbst. Dieses Wissen erschreckte den Herrscher.
    Eines Tages beschloss Gilgamesch, seinem Paten, dem Gott Schamasch, diese Ängste anzuvertrauen. Schamasch war klug und vernünftig und bekam Mitleid mit Gilgamesch. ›Mein Sohn‹, flüsterte er ihm zu, ›als die Götter die Menschheit erschufen, teilten den Tod sie der Menschheit zu, nahmen das Leben für sich in die Hand. Du, Gilgamesch– dein Bauch sei voll, ergötzen magst du dich Tag und Nacht! Feiere täglich ein Freudenfest! Tanz und spiel bei Tag und Nacht!‹ Schamasch empfahl Gilgamesch also, die Sache zu vergessen und so lange er konnte die Gaben seines Daseins zu genießen. Da Gilgamesch keine Wahl hatte, befolgte er diesen Rat aufs Wort und begann in seinem Königreich Gesetze einzuführen, die ihn vor seinen Untertanen bevorzugten. Das umstrittenste Gesetz war das ius primae noctis, das Anrecht des Machthabers, als Erster mit jeder Braut, die in seinem Herrschaftsgebiet heiratete, Beischlaf zu halten. Er rechnete nicht damit, dass dies das Volk so sehr aufbrachte, dass die Proteste schließlich die Aufmerksamkeit der Götter auf sich zogen. Die Götter wollten ihm nun eine Lektion erteilen. Sie schickten ein menschenähnliches Wesen auf die Erde, ein Geschöpf mit Sehnen aus Kupfer und der Kraft eines Felsbrockens, damit es gegen Gilgamesch kämpfte und ihn von seinem Treiben abhielt. Dieses Geschöpf nannten sie Enkidu. Aber anders als vorgesehen, schlossen Enkidu und Gilgamesch Freundschaft. Die beiden respektierten sich gegenseitig als die großen Krieger, die sie waren, und zur Überraschung der Götter begannen die beiden, miteinander zu sprechen.
    Eines Nachts gestand Gilgamesch seinem neuen Freund unter dem Sternenhimmel als Beweis ihrer frischen Freundschaft, dass er große Angst vor dem Tod verspüre. Er weihte ihn in seine Pläne ein, heimlich in das Reich des Anu zu reisen, die Heimat seiner Schöpfer, um von ihnen die Unsterblichkeit zu fordern, die laut der Berichte aus der Zeit vor der Sintflut unsere Spezies damals besaß. In diesen Aufzeichnungen stand der Name des einzigen Menschen, der die Unsterblichkeit erlangt hatte. Dieser war ebenfalls ein König, den man unter dem merkwürdigen Namen Utnapischtim kannte und der ihnen bestimmt die Formel für das ewige Leben würde geben können.
    Die beiden gelobten, Utnapischtim zu finden. Sie bereisten Gebiete, die den Menschen verboten waren, sie besiegten schreckliche Ungeheuer und sie überwanden tausendundeine Versuchungen und Fallen, die

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