Die Rache der Engel
Wirklichkeit der Gott Enki gewesen ist, der unsere Spezies vor dem Ertrinkungstod gerettet hat.«
» Ich verstehe immer weniger. Wenn es ein Gott war, der uns gerettet hat, wer hat uns dann bestraft?«
» Dazu komme ich gleich, Chérie. Enki wird von den Sumerern als der Bruder und ewige Rivale der Gottheit beschrieben, die uns vernichten wollte. Sie hieß Enlil. Doch die Juden, die während des Babylonischen Exils diese Geschichte übernahmen, änderten seinen Namen zu Jahwe.«
» Also, das ist nicht sicher«, protestierte der Vikar mit hochgezogenen Augenbrauen.
» Aber es ist mehr als wahrscheinlich, Father Graham. Sowohl Jahwe als auch Enlil waren besitzergreifende Götter mit einem strafenden Charakter. Insbesondere Enlil war zudem von unserer Spezies besessen. Er sah in uns elendige, lärmende Geschöpfe und beschloss uns zu vernichten, genauso wie der Jahwe der Bibel. Glücklicherweise war sein Bruder Enki dagegen und kam auf die Idee, Utnapischtim damit zu beauftragen, ein Schiff zu bauen, damit er vor Enlils Strafe gerettet werden konnte. Es musste ein großes Schiff sein, das wie ein Sarg aussah und abgeschlossen war, sodass es der Wucht des Wassers widerstand. Und er stattete es mit zwei Steinen aus, mit denen er mit ihm kommunizieren konnte.«
» Zwei Steine…«, flüsterte ich.
» Gilgamesch erwähnt sie am Ende seiner Geschichte, als er Utnapischtim im Paradies trifft und feststellt, dass dieser nicht nur noch am Leben ist, sondern auch seine Jugend bewahrt hat.«
» Was ist denn nun mit den Steinen?«, wollte ich wissen.
» Es waren künstliche Steine, die die Götter bearbeitet hatten. Der physische Beweis für ihre Existenz«, machte Martin die Sache spannend. » Gilgamesch berichtet tatsächlich, dass sie die einzigen Steine sind, die die Macht haben, die Götter anzurufen. Deshalb wurden sie nur bei sehr heiligen Zeremonien eingesetzt, wenn die Kraft des Zelebrierten ihnen eine besondere Energie verlieh, mit der man in den Himmel gelangen konnte.«
» Und du willst sie heute einsetzen? Bei unserer Hochzeit?«, fragte ich, als ich begriff, worauf das Ganze hinauslief.
Martin nickte.
» Genau, Chérie.«
30
Benigno Fornés lieferte eine beachtliche sportliche Leistung ab, als er zu den Schlafgemächern im erzbischöflichen Palast rannte. Atemlos erreichte er die Tür des erzbischöflichen Sekretärs und klopfte heftig, bis der gute Mann endlich öffnete. Der Dekan vermittelte ihm vermutlich keinen besonders günstigen Eindruck: Er stand verschwitzt mit der Taschenlampe in der Hand vor ihm und wirkte so aufgeregt, dass der Sekretär sich einen Moment lang fragte, ob der alte Mann noch bei Sinnen war. Fornés musste ihm schwören, dass er ihn wegen einer überaus wichtigen Angelegenheit weckte. Er wiederholte immer wieder, es sei lebenswichtig, dass Seine Exzellenz sich etwas ansehe. Und zwar so schnell wie möglich.
» Zu dieser Unzeit?«, murmelte der Sekretär.
» Es tut mir leid. Die Sache geht nur Seine Exzellenz und mich etwas an, und sie ist von höchster Wichtigkeit«, erwiderte der Dekan.
» Wichtigkeit? Für wen denn, Padre Fornés?«
» Für die Kirche.«
Diese Antwort brachte den Sekretär zum Nachdenken, und er gab schließlich nach.
» Hoffentlich ist dem so, Padre Fornés. Ich werde ihn anrufen, aber ich erinnere Sie daran, dass Sie in dieser überstürzten Angelegenheit die gesamte Verantwortung übernehmen.«
Es war kurz vor vier Uhr morgens, als schließlich ein bleicher und verblüffter Bischof die Räume seines Sekretärs betrat. Juan Martos. Er hatte sich in aller Eile einen dunklen Anzug und das Kollar angezogen und war noch mit den Knöpfen beschäftigt, als er dem Dekan gegenüberstand.
» Also, über welche wichtige Angelegenheit wollen Sie mich so dringend unterrichten?«
» Verzeihen Sie bitte, Eure Exzellenz«, stammelte der Dekan, » ich möchte Sie nicht mit langen Reden aufhalten, tatsächlich muss ich Ihnen etwas zeigen.«
» Mir etwas zeigen? Was denn? Wo denn?«
» In der Kathedrale.«
» Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass sie geschlossen bleiben muss, bis die Polizei ihre Untersuchung abgeschlossen hat.«
Fornés ging nicht auf den Einwand ein.
» Können Sie sich noch an das Zeichen erinnern, über das wir gesprochen haben?«
Martos missfiel die Wendung, die das Gespräch nahm. Er war davon ausgegangen, Pater Fornés, der zum Wächter seiner Kathedrale bestellt war, bedrücke ein weitaus weltlicheres Problem. Vielleicht etwas,
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