Die Rache der Engel
als Wohltäter in Frage, um das er sich so bemühte.
Bei unserer Begrüßung war mein erster Gedanke, dass seine Kleidung nicht dem Budget eines mehrere Millionen schweren Genies entsprach. Artemi Dujok versteckte sich vielmehr hinter der Maske eines unauffälligen Mannes. Er übte diese Rolle so gut aus, dass ich ihn kaum im Gespräch mit den anderen Gästen sah. Vielleicht fühlte er sich aber auch anders als die anderen. Er war allein gekommen, ohne Chauffeur oder Bodyguard. Womöglich befürchtete er auch, wegen seiner relativ dunklen Hautfarbe oder seinem imposanten Schnauzbart aufzufallen, so dass er sich lieber im Hintergrund hielt und auf sein Handy starrte.
Jedenfalls achtete niemand auf Artemi Dujok, als er kurz nach Daniels Ansprache nach seinem Gerät griff und sich in einen Winkel der Kapelle zurückzog, um eine Nachricht abzurufen. Dann verließ er hastig die Kapelle, wandte sich der Grünanlage mit dem Friedhof zu, und als er sich nicht mehr unseren Blicken ausgesetzt wusste, steckte er das Handy in die Manteltasche und ging Richtung Parkplatz.
Zu meiner Überraschung konnte ich in meinem Stadium post mortem bequem verfolgen, was er danach tat– etwas, was ich mir zu dem Zeitpunkt, an dem es tatsächlich stattfand, nicht einmal hätte vorstellen können.
Die Blinklichter an seinem BMW , der nur wenige Meter entfernt parkte, leuchteten auf, als er die Fernbedienung betätigte. Als sich die Heckklappe öffnete, gab sie den Blick auf eine Ladung frei, die für ein Fahrzeug der 50 000 -Pfund-Preisklasse ein wenig profan war: eine mit Lehm verklebte Spitzhacke und ein Spaten, die Gebrauchsspuren aufwiesen, sowie eine beigefarbene Sporttasche, die ihr Besitzer auf der Stelle schulterte.
Eine Minute später hatte Dujok Jackett und Krawatte abgelegt und sah sich nun in Hemdsärmeln nach allen Seiten um, als wollte er sich vergewissern, dass ihm niemand nachspionierte. Aber Dujok war allein. Die sieben von Geißblatt überwucherten Häuser, die zu dieser Seite der Kirchenanlage zeigten, dämmerten friedlich vor sich hin. Alle Fensterläden waren geschlossen und niemand war zu sehen, der ihn hätte beobachten können.
›Was hat er vor?‹, fragte ich mich besorgt.
Sobald Dujok an der Apsis der Kapelle angekommen war, begann er mit einer merkwürdigen Tätigkeit: Er stellte seine Tasche auf die Erde und entnahm ihr eine Handwerkerausrüstung. Zuerst bedeckte er sein Gesicht mit einer Maske, dann zog er sich einen lehmverschmierten, blauen Overall über und stieg in Gummistiefel, in die er sorgfältig die Hosenbeine stopfte. Er griff zu einem Teleskop-Spaten, wie ihn Hochgebirgskletterer verwenden, und warf dann einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Offensichtlich hatte er es eilig. Zu seinen Füßen öffnete sich ein Erdloch von etwa einem Meter Seitenlänge und der gleichen Tiefe, und aus irgendeinem Grund wusste ich, dass er selbst es bereits am Vorabend ausgehoben hatte. Merkwürdig. Die Ränder des Lochs waren unregelmäßig und mit feuchtem Erdreich voller Steine bedeckt. Während meiner Hochzeit, hinter dem Rücken aller übrigen Gäste, selbst seines Freundes Martin, machte er sich zielstrebig an die Arbeit.
Er brauchte nicht lange, um auf den Gegenstand zu stoßen, auf den er es abgesehen hatte. Zunächst mit dem Werkzeug und dann mit den Händen legte Artemi Dujok einen Bleikasten frei. Diese Kiste war vielleicht so groß wie eine Küchenschublade, das Metallgehäuse zeigte Gebrauchsspuren, es war voller Schrammen und Einkerbungen und wirkte ziemlich alt. Von meiner Position aus konnte ich erkennen, dass es keinerlei Scharniere, Schlösser oder andere funktionale Bestandteile aufwies. Es trug auch keine Zeichnungen oder Aufschriften, und es schien mit der Sorgfalt eines Juweliers verschweißt, um zu verhindern, dass die Feuchtigkeit des Bodens, in dem es versteckt war, seinen Inhalt beeinträchtigen könnte. Aber ehe Dujok diesen Schatz hob, zögerte er. Er ersetzte seine Gummihandschuhe durch andere, die aussahen, als wären sie aus einem stärkeren, metallischen Material, und beim Herausheben sicherte er den Kasten mit elastischen Gurten. Als er überzeugt schien, dass sein Fund nicht kippen könne, zog er sorgsam daran, bis der Kasten außerhalb der Grube vor ihm stand.
Ich war verwirrt, umso mehr als ich nun sah, wie Artemi Dujok den Deckel seines Fundes mit einem Meißel bearbeitete. Als der Deckel schließlich nachgab, führte Dujok wegen des ätzenden Ammoniakgestanks die Hände vors
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