Die Rache der Engel
herauszufinden, also beschloss Figueiras, während sein Team mit diesen Ermittlungen beschäftigt war, den befreundeten Juwelier zu besuchen.
Marcelos Wohnung lag direkt hinter der Iglesia de Santa María Salomé, in einer engen Gasse, in der sich abseits von den Strömen der Touristen und Pilger eine Kurzwarenhandlung, ein einfaches Hotel und mehrere Restaurants aneinanderdrängten. Der Juwelier hatte eines der ältesten Gebäude Santiagos restaurieren lassen und in eine Art Privatmuseum umgewandelt. Ein traumhafter Ort: Mit ihrer Fülle an Antiquitäten, Büchern und Souvenirs schienen die Regale dort Antworten auf jede Frage bereitzuhalten. Und genau das benötigte Figueiras: Antworten. Die ersten Untersuchungen der Gerichtsmediziner hatten seine Befürchtungen bestätigt: Die Patronen, die man neben den ermordeten Polizisten gefunden hatte, gehörten zur gleichen Waffe wie die Patronen, die die Spurensicherung in der Kathedrale sichergestellt hatte. Diese Tatsache war besonders bedrückend: Wäre er nur eine Minute früher zur Plaza del Obradoiro gekommen, hätte er den Mörder festnehmen und seinen Männern womöglich das Leben retten können.
» Du sagst, er ist mit einem Hubschrauber geflüchtet? Bist du dir sicher?«
Muñiz hatte mit Akkuratesse Kaffee und Gebäck auf dem Tischchen in seinem Wohnzimmer angerichtet. Zwar hemdsärmelig, aber mit seiner unverzichtbaren Fliege und den wenigen verbliebenen, sorgfältig über die Glatze gekämmten Haarsträhnen, saß er in einer Ecke des Wohnzimmers und sah verblüfft zu Antonio Figueiras.
» Marcelo, ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen. Die Sache ist wirklich ernst.«
Figueiras schien ziemlich mitgenommen. Verglichen mit dem makellosen Aussehen des Juweliers, wirkte er fast wie ein Obdachloser. Die Brillengläser konnten die Müdigkeit nach der langen Nacht kaum verbergen. Seine Lippen waren aufgesprungen, das Hemd restlos zerknittert und das Haar fettig und zerzaust.
» Also… Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte der Juwelier, während er seinem Gast einschenkte und ihm die Tasse reichte. Er selbst nahm einen Schluck aus seiner Tasse und unterdrückte ein breites Lächeln, ehe er begann: » Ich weiß inzwischen, warum diese Steine, die die Faber-Álvarez importiert haben, so wertvoll sind.«
Der Polizist blickte von seiner Tasse auf und sah ihn erwartungsvoll an.
» Jetzt schieß endlich los!«
» Also, du hast mir den ersten Hinweis gegeben, indem du ihre Zollerklärung erwähnt hast. Damit habe ich angefangen. Ich habe ein wenig im Netz recherchiert und bin auf eine kuriose Sache gestoßen: Antonio, diese Steine sind extraterrestrisch.«
» Mann, jetzt aber!«
» Antonio, das ist kein Witz!«, erwiderte Muñiz ernst. Sein spitzbübisches Lächeln war verschwunden. » Mithilfe der Registernummer habe ich ihre Herkunft verfolgt, und ich denke, ich habe etwas herausgefunden. Bevor die beiden die Steine nach Spanien einführten, befanden diese sich einige Zeit im Forschungslabor der Mineralogischen Abteilung des British Museum. Leider ist kein Bericht über die Untersuchungsergebnisse zugänglich. Aber in der Datenbank habe ich das Eingangs- und das Ausgangsdatum der Steine entdeckt und zudem ein recht kurioses Detail.«
» Mann, Marcelo, mach schon… Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Muñiz rückte seine Fliege zurecht und setzte sein strahlendstes Lächeln auf:
» Laut Register hat nicht Martin Faber diese Steine dem British Museum anvertraut, sondern ein Unternehmen, The Betilum Company. TBC . Sagt dir das etwas?«
Figueiras schüttelte müde den Kopf.
» Ich habe das gesamte Netz danach durchsucht und habe einfach nichts gefunden. Es ist offenbar eine Art Phantomfirma. Doch gerade als ich aufgeben wollte, hatte ich eine Idee…«
» Ja, und?«
Muñiz stand zwar durchaus in dem Ruf, ein Internetgenie zu sein, aber seine bisherigen Rechercheergebnisse übertrafen die Erwartungen des Polizisten bei Weitem.
» Ich habe dann das Unternehmen in den üblichen Seiten gesucht, in denen Antiquitätenkäufe verzeichnet sind. Auch da habe ich nichts gefunden. Doch als ich mir dann noch die Listen mit VIP -Kunden angesehen habe, die auf den wichtigen Auktionen alte Bücher erwerben, habe ich einen Volltreffer gelandet.«
» Inwiefern?«, fragte Figueiras ungeduldig.
» Diese Firma, The Betilum Company, erwirbt schon seit einiger Zeit im Netz besonders seltene und teure Bücher. Und zwar Bücher aus den Themenbereichen Magie, Astrologie,
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